Rund um den Ackerbau gibt es viele innovative Ideen. In Niedersachsen finden hierzu zahlreiche spannende Forschungsaktivitäten statt. Wir wollen sie sichtbarer machen und dabei helfen, Erkenntnisse zu verbreiten. Deshalb stellen wir jeden Monat ein Projekt vor. Das Projekt im März heißt FarmerSpace und wird von dem Institut für Zuckerrübenforschung, der Abteilung Agrartechnik an der Georg-August-Universität Göttingen, der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und dem Fraunhofer-Institut IOSB umgesetzt.
FarmerSpace – Digitaler Pflanzenschutz
FarmerSpace gehört zu den bundesweit 14 digitalen Experimentierfeldern, die über das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert werden. Es befasst sich mit digitalen Technologien für den Pflanzenschutz. Als eine Versuchsplattform für Akteure aus der Forschung, Beratung und Industrie arbeitet das Verbundprojekt daran, die Einführung digitaler Anwendungen in die landwirtschaftliche Praxis vorzubereiten. Daher legt das Projekt besonderen Wert auf Praxistauglichkeit. FarmerSpace fokussiert sich auf die Bereiche Sensorik, Robotik und datengetriebene Lösungen für das Management von Unkräutern und Blattkrankheiten in Winterweizen und Zuckerrüben.
Digitales Unkrautmanagement
Im Bereich der chemischen Unkrautkontrolle liegt ein Schwerpunkt bei der Spotapplikation. Insbesondere bei punktuellem Unkrautvorkommen können Spotapplikationen den Herbizideinsatz reduzieren. Dabei sind zwei Verfahren möglich:
- Beim Online-Verfahren werden die Unkräuter in einer Überfahrt sowohl detektiert als auch behandelt. Ein bekanntes Beispiel ist die Präzisionsfeldspritze Ecorobotix ARA. Bei diesem System werden Unkräuter durch Kamerasysteme und einer KI-trainierten Erkennungssoftware identifiziert und direkt im Anschluss besprüht. Eine Besonderheit dieses Ansatzes ist es, dass das Spritzgestänge zusammen mit den Kameras unter einer Haube angebracht ist. Eine aktive Beleuchtung sorgt somit für möglichst gleichbleibende Bedingungen für die Erkennung der Pflanzen.
- Im Offline-Verfahren erfolgen die zwei Schritte in zeitlich getrennten Arbeitsgängen. So werden die Unkräuter zunächst mit beispielsweise einer Kameradrohne kartiert und anschließend mit einer betriebsüblichen Feldspritze auf Grundlage einer Applikationskarte behandelt.
Eine vergleichende Betrachtung kommt zu dem Schluss, dass je nach Anwendungsfall eines der beiden Systeme den größeren Vorteil bietet. Beim Offline-Verfahren besteht allerdings die Möglichkeit, die bereits vorhandene Pflanzenschutztechnik zu nutzen. Um hier im Vorhinein Fallstricke zu vermeiden, wurde im Rahmen von FarmerSpace ein Leitfaden erstellt. Dieser empfiehlt zunächst das Einsparpotential an Herbiziden abzuschätzen. Dazu wurde ein Simulator als Entscheidungshilfe entwickelt, der errechnet, ob eine Spot-Applikation ackerbaulich und wirtschaftlich sinnvoll ist. Des Weiteren gibt er wertvolle Hinweise zur Planung einer Drohnenbefliegung und welche Applikationstechnik notwendig ist.


Bei der mechanischen Unkrautkontrolle wurden verschiedene Anbaugeräte im Rahmen des Projektes erprobt. Der MWLP Weeder kann Unkräuter möglichst nah an der Kulturpflanze entfernen. Die Unkräuter werden durch eine Kombination an spektralen, 3D-Scan- und Lasermesssystemen erfasst. Eine KI-trainierte Software entscheidet darüber, ob die Hackstempel (Mikrohackschare) ausgelöst werden, um die erkannten Unkräuter zu entfernen. Der Poulsen Robovator erkennt mittels kameragestützter Sensoren und einer Bildanalysesoftware die Unkräuter. Die mechanische Behandlung in der Reihe erfolgt über hydraulisch angetriebene Hackarme, die sich schließen, wenn Unkräuter identifiziert wurden. Zwischen den Reihen wird die Unkrautkontrolle über Gänsefußschare ausgeführt. Bei der Feldrobotik wird der Sä- und Hackroboter FarmDroid FD20 erprobt. Nach einer RTK-gestützten Präzisionsaussaat erfolgt später die autonome, mechanische Unkrautkontrolle mit schwenkbaren Hackmessern.

Blattkrankheiten mit digitaler Unterstützung bekämpfen
Im Projekt FarmerSpace wurde auch die Frage bearbeitet, ob Prognosemodelle helfen können, den richtigen Zeitpunkt einer Fungizid-Applikation in Winterweizen auszuwählen. Die Ergebnisse zeigten, dass sie als ein Baustein im integrierten Pflanzenschutz den Fungizid-Einsatz effizienter machen können. So ermöglichen sie es, Feldbegehungen gezielt an kritischen Zeitpunkten durchzuführen. Damit können Arbeitszeit und Fungizidkosten eingespart werden. Insbesondere in trockenen Jahren mit einer geringen Infektionswahrscheinlichkeit dienen Prognosen als wertvolle Orientierungshilfe. Des Weiteren bieten sie die Chance, bei nicht kurativ zu behandelnden Krankheiten, wie Septoria, keine pauschalen, sondern zielgerichtete Applikationen durchzuführen.
Auch die frühzeitige und genaue Erkennung von Blattkrankheiten durch Drohnenbefliegungen mit Multispektralkameras sind ein wichtiger Entwicklungsbereich im digitalen Pflanzenschutz. Für die Etablierung einer standardisierten Routine für diese Feldmessungen wurde im Rahmen von FarmerSpace ein mehrjähriger Feldversuch mit Zuckerrüben durchgeführt, der den Einfluss von Umweltbedingungen und die allgemeine Anfälligkeit gegenüber der Cercospora-Blattfleckenkrankheit während der Vegetationsperiode überwacht. Das Ziel des Versuchs ist es, präzise Vorhersagen über das Auftreten von Pflanzenkrankheiten treffen zu können.

Über das Projekt sprach Dr. Stefanie Schläger vom Ackerbauzentrum Niedersachsen mit Dr. Abel Barreto, Wissenschaftler am Institut für Zuckerrübenforschung:
Wo sehen Sie bisher den größten Anwendungserfolg von digitalen Tools im Pflanzenschutz?
In drei Bereichen findet eine vielversprechende Entwicklung statt. Da ist der Einsatz von Drohnen für die Erstellung von Applikationskarten als mehrstufiges Verfahren (Offline-System) zur Unkrautkontrolle zu nennen. Drohnen werden zunehmend für die Erfassung und Kartierung von Unkrautpopulationen eingesetzt. Ein konkretes Beispiel ist die Erkennung von Distelnestern oder das „Grün-auf-Braun“-Prinzip, das eine gezielte Herbizidapplikation auf Teilflächen ermöglicht. Durch diese präzise Steuerung lassen sich der Herbizideinsatz reduzieren und Umweltbelastungen minimieren.
Der zweite Bereich betrifft auch das Unkrautmanagement. Feldroboter wie der „FarmDroid“ oder „Farming GT“ leisten wertvolle Beiträge im ökologischen und konventionellen Unkrautmanagement. Während mechanische Hackroboter Unkräuter ohne Chemie entfernen, ermöglichen autonome kameragestützte Spot-Spraying-Systeme eine hochpräzise Herbizidapplikation. Diese Technologien tragen dazu bei, Pflanzenschutzmittel effizienter einzusetzen und gleichzeitig den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren.
Die Nutzung von Prognosemodellen zur Vorhersage von Pilzkrankheiten ist ein drittes wichtiges Anwendungsfeld digitaler Tools. Durch die Analyse von Wetterdaten, Bodenfeuchte und anderen Umweltparametern können Infektionsrisiken frühzeitig erkannt werden. Landwirte erhalten dadurch eine datenbasierte Entscheidungsgrundlage für gezielte Fungizidapplikationen, wodurch unnötige Spritzungen vermieden und Resistenzen verringert werden können.
Bei welchen digitalen Anwendungen sehen Sie zukünftig auch noch ein großes Potential?
Aus unserer Erfahrung lässt sich kurzfristig sagen, dass das größte Potenzial vor allem bei kameragestützten Spot-Spraying-Verfahren im Online-Betrieb liegt. Allerdings müssen diese Systeme kostengünstiger werden und größere Flächen effizient bearbeiten können. Einige bekannte Hersteller bieten inzwischen Pflanzenschutzspritzen mit dem „One Smart Spray“-System an. Dies könnte als Einstiegstechnologie oder Brückenlösung dienen. Damit solche Verfahren praxistauglich werden, müssen jedoch Herbizidstrategien entsprechend angepasst werden – etwa hinsichtlich der Herbizidauswahl und Restmengen. Auch eine intensivere Beratung sowie Anpassungen im rechtlichen Rahmen wären wahrscheinlich erforderlich.
Im Bereich der autonomen Hackroboter sind punktuelle Erfolge bereits sichtbar, doch das Potenzial ist noch längst nicht ausgeschöpft. Besonders in Bezug auf die Flächenleistung, die Reduzierung von Kulturverlusten und die Erreichung eines Wirkungsgrades auf dem Niveau herkömmlicher Herbizidapplikationen gibt es noch erheblichen Entwicklungsbedarf.
Ein weiteres vielversprechendes Innovationsfeld ist der Einsatz automatisierter Monitoring-Systeme, insbesondere autonomer UAV-Monitoring-Technologien. Eine kontinuierliche Kartierung der Felder sowie der Einsatz KI-gestützter Assistenten könnten Landwirte bei der Feldbegehung unterstützen, indem sie beispielsweise Blattkrankheiten, Schädlinge oder Nährstoffmängel frühzeitig erkennen und Handlungsempfehlungen auf Basis digitaler Schwellenwerte geben.
Langfristig sollte auch das enorme Potenzial von Drohnentechnologien als Alternative für die Applikation von Pflanzenschutzmitteln nicht unterschätzt werden – auch im konventionellen Ackerbau. Besonders vielversprechend ist die Entwicklung von Schwarmtechnologien („Swarm Systems“), die eine präzisere und ressourcenschonendere Anwendung ermöglichen. Darüber hinaus bieten Drohnen Vorteile beim Zugang zu schwer erreichbaren Feldbereichen, beim Schutz des Bodens und bei der vertikalen Durchdringung von Pflanzenbeständen.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für einen breiten Einsatz der digitalen Tools im Pflanzenschutz auf dem Acker?
Das aktuelle Angebot an digitalen Tools ist breit gefächert und wächst jedes Jahr weiter. Zahlreiche neue und kleine Unternehmen bringen digitale Werkzeuge auf den Markt und machen große Versprechungen. Für die Nutzer ist es jedoch oft schwierig einzuschätzen, welche Lösungen tatsächlich funktionieren, ob das Unternehmen in fünf Jahren noch existiert und ob Ersatzteile oder Support zeitnah verfügbar sind. Diese Realität steht vermutlich im Zusammenhang mit den Herausforderungen, die das breite Spektrum digitaler Werkzeuge im Bereich des Pflanzenschutzes mit sich bringt. Aspekte wie Datenintegration, Datenqualität, die Anwendung auf einer größeren Vielfalt an Kulturen, Interoperabilität zwischen verschiedenen Systemen, Kosteneffizienz, Qualitätsbewertung und Praxistauglichkeit sind zentrale Faktoren. Digitale Tools müssen sich kontinuierlich verbessern, um sich flexibel an die spezifischen Anforderungen der Betriebe anzupassen.
