
Ein Rückblick auf die diesjährige Tagung der AG Qualitätsweizenanbau
Die AG Qualitätsweizenanbau ist eine Plattform entlang der gesamten Wertschöpfungskette in Niedersachsen. Durch die Vernetzung von Landwirtschaft, Züchtung, Beratung, Handel, Mühlen und Bäckereien soll ein nachhaltiger Anbau und die Vermarktung von hochwertigem Backweizen gesichert und weiterentwickelt werden.
Markus Gerhardy, Landwirt und Vorsitzender der AG, eröffnete die Qualitätsweizentagung, die am 04. September 2025 in Hildesheim stattfand und dankte der Volksbank Hildesheim-Lehrte-Pattensen für die langjährige Gastfreundschaft und Unterstützung. Er betonte bei seiner Begrüßung, dass trotz guter Aussaatbedingungen und sehr ertragreicher Ernte, die Landwirte mit niedrigen Preisen und durchwachsenen Qualitäten beim Weizen zu kämpfen hätten.
In seinem Grußwort unterstrich Gerhard Schwetje, Präsident der Landwirtschaftskammer, dass die Bördeböden seit jeher herausragende Voraussetzungen für den Qualitätsweizenanbau böten. Mit ihrer über 60-jährigen Zusammenarbeit verfolgen AG Qualitätsweizenanbau und LWK das Ziel, diese Stärke des Standorts zu sichern und weiter auszubauen. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass Züchtungsfortschritte bislang nicht ausreichend genutzt werden. Auch Futtergetreide hat angesichts der sinkenden Tierhaltung kaum Zukunftsperspektiven.
Weizenernte 2025: Hohe Erträge – akzeptabler Proteingehalt – aber zu geringer Klebergehalt.
Carsten Riekmann von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen wies darauf hin, dass die Anbaufläche für Winterweizen im Erntejahr 2025 gegenüber dem Vorjahr um rund 30 % gestiegen sei. Die Bestände konnten sich trotz der Trockenheit im Frühjahr stabil entwickeln, da ausreichende Wasserreserven im Boden, ein gut entwickeltes Wurzelsystem und später Regen für eine ausreichende Nährstoffversorgung während der Kornfüllphase sorgten.
Die durchschnittlichen Erträge liegen mit fast 85 dt/ha, rund 22 % über dem Vorjahresniveau und 7 % über dem sechsjährigen Mittel. Der Rohproteingehalt stieg mit 11,7 % um 0,4 %-Punkte gegenüber 2024 wieder auf ein akzeptables Niveau. Der Feuchtkleber konnte jedoch nicht im gleichen Maße zulegen. Erntereife Bestände wiesen nach Regen teilweise sinkende Fallzahlen auf, was die Backqualität beeinflusste. Die Marktpreise gingen deutlich zurück und lagen im August 2025 im Vergleich zum Februar um 12–14 % niedriger.
Von den neuen Sorten konnten nur Einzelne überzeugen. Bei der Sortenwahl sollten neben dem Ertrag auch qualitative Parameter berücksichtigt werden, wie Blattgesundheit, Standfestigkeit, Fallzahlsicherheit und Rohproteingehalt. Derzeit stehen uneingeschränkt empfohlene Sorten nur in begrenztem Umfang zur Verfügung.
Verarbeitungsqualitäten der Weizenernte 2025 und Sortenempfehlungen für die Herbstaussaat
Carsten Grupe, Leiter der Bezirksstelle Braunschweig der LWK Niedersachsen und Geschäftsführer der AG Qualitätsweizenanbau betonte, dass die Erträge in diesem Jahr überwiegend gut waren, die Qualitäten aber im Mehrjahresvergleich weiterhin sinken. Insbesondere das für die Backeignung entscheidende Backvolumen ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken. Der Feuchtklebergehalt bei E-Weizen liegt häufig unter 30 %, im Bundesdurchschnitt sogar nur bei 24 %, was die Mehlqualität und die Backfähigkeit beeinflusst.
Bei den Sortenempfehlungen der AG Qualitätsweizen wird deshalb besonders auf die sortenreine Lagerung von E-Weizen geachtet. Unter den A-Weizen sticht die Sorte Ambientus hervor: Sie überzeugt mit einer hervorragenden Mehlausbeute, während andere Backqualitäten durchschnittlich ausfallen.
Züchtung von Qualitätsweizen: Rahmenbedingungen und Herausforderungen
Dr. Hubert Kempf von der SECOBRA Saatzucht weist darauf hin, dass sich die Proteinqualität bei Qualitätsweizen u.a. durch Züchtungsanstrengungen in den letzten Jahren tendenziell positiv verändert hat. Die Aussagekraft von Rohproteingehalt (RP) allein genügt nicht, da nicht alles Protein für Backzwecke effizient genutzt werden kann. Deshalb ist die Proteineffizienz (PE) – also die Fähigkeit der Pflanze, Protein qualitativ hochwertig zu verstoffwechseln und für die Backeigenschaften bereitzustellen – von zentraler Bedeutung. Allerdings sollte sie nicht pauschal über alle Qualitätsgruppen (E‑A‑B‑C) bewertet werden, sondern innerhalb der einzelnen Gruppen, um differenzierte Aussagen über die tatsächliche Backqualität treffen zu können.
Bei der Stickstoffeffizienz lassen sich leichte züchterische Fortschritte erkennen: Die N-Effizienz wird hier als Verwertung des aus der Düngung und Nachlieferung des Bodens zur Verfügung stehenden Stickstoffangebotes in Kornstickstoffertrag definiert. Dieser wird aus den Parametern Kornertrag (KE) und Rohproteingehalt (RP) errechnet. Sorten mit hohen Kornerträgen und vergleichsweise hohen Rohproteinwerten weisen einen hohen Proteinertrag, N-Ertrag, N-Entzug auf und somit nach der hier verwendeten Definition eine hohe N-Effizienz.
Die Backqualität von Weizen lässt sich mit heutigen Methoden praxisnah vorhersagen. Das Backvolumen einzelner Sorten kann zuverlässig über Proteingehalt und Sedimentationswert prognostiziert werden. Der RMT-Test (Rapid Mix Test, RMP-Wert) liefert wichtige Hinweise auf Teigentwicklung und Gashaltevermögen, ist jedoch nicht standardisiert und daher in der Praxis variabel. Jahreseffekte, die Vergleichsbasis mit nur einer Standardsorte und unterschiedliche Laborverfahren schränken die Aussagekraft zusätzlich ein. Außerdem kann das Backvolumen der Teige durch längere Knetzeiten beeinflusst werden.
Viele Mühlen werten den RMT-Test bei Weizen daher heute nicht mehr aus. Stattdessen gewinnt der Feuchtklebergehalt an Bedeutung, der stark mit dem Proteingehalt korreliert. So meldet die Mühle Engelke: „Die Einlagerung erfolgt nur noch nach dem Feuchtkleberanteil des Weizens.“
Die Qualitätsparameter von Weizen werden neben genetischen Faktoren stark durch Umweltbedingungen beeinflusst. Dies erschwert schnelle züchterische Fortschritte. Die Übernahme spezifischer Parameter aus der ökologischen Züchtung, wie Krankheitsresistenzen und Stickstoffeffizienz, kann die Qualität und Anpassungsfähigkeit von Qualitätsweizen dennoch weiter verbessern.
Hybridweizen kann die Stabilität der Backqualität kurzfristig erhöhen. Allerdings schränken höhere Kosten und eingeschränkte Langzeitperformance den langfristigen Nutzen ein. Eine Kombination aus ökologischen Züchtungsansätzen und selektiver Hybridzüchtung kann daher helfen, robuste und qualitativ hochwertige Weizensorten zu entwickeln.
Pflanzenbauliche Stellschrauben für gute Weizenqualitäten
Caroline Benecke von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen stellte für den Zeitraum 2017 bis 2024 die Entwicklung der Proteingehalte im Weizen dar. Sie zeigen tendenziell rückläufige Werte. Zudem gab sie einen Überblick über den Anbauumfang der einzelnen Qualitätsgruppen. Beim Anbauumfang der E-Sorten in Deutschland ist ein kontinuierlicher Anstieg erkennbar, der Anteil lag zur Ernte 2025 bei 12%.
Neben Änderungen bei der Einstufung in die Qualitätsgruppen beim Weizen durch das Bundessortenamt seit 2019 haben sich die Rahmenbedingungen für die Proteinausbildung durch Vorgaben der Düngeverordnung (DüV 2020) – insbesondere in den „roten Gebieten“ mit 20 % geringerer N-Gabe – deutlich verändert.
Seit 2019 wird der Rohproteingehalt nicht mehr für die offizielle Einstufung von Winterweizen in die Qualitätsgruppen (E, A, B, C) berücksichtigt. Stattdessen werden die Sorten stärker nach technologischen Backeigenschaften wie Fallzahl, Sedimentationswert und Volumenausbeute bewertet. Für den Handel bleibt dennoch der Proteingehalt entscheidend. Deshalb gilt: Bei der Sortenwahl muss die Proteineinstufung innerhalb der Qualitätsgruppe berücksichtigt werden, um Anbausicherheit zu gewährleisten.
Neben genetischen Faktoren können sich auch die Witterungsbedingungen auf die Proteinqualität auswirken. Trockenheit und zu nasse Winter behindern die Wurzelentwicklung und damit die Nährstoffaufnahme. Hier können pflanzenbauliche Maßnahmen die Effekte abmildern, aber nicht vollständig kompensieren.
In den Düngungsversuchen der Landwirtschaftskammer zeigte sich, dass KAS (Kalkammonsalpeter) gegenüber Harnstoff unter bestimmten Bedingungen Vorteile bei der N-Effizienz bietet – insbesondere bei späten Gaben während der Kornfüllung. Entscheidend ist der richtige Zeitpunkt: Die Gabe von AHL (Ammonium-Nitrat-Harnstoff-Lösung) zur Blüte wirkt nur dann optimal, wenn die Ähren trocken sind. In dieser Phase entstehen die größten Proteineffekte. Auch der Einsatz von AHL in kleinen Mengen nach dem Ährenschieben kann die Rohproteingehalte um bis zu 0,7 %-Punkte erhöhen. Sortenspezifische Bestandsführung ist hier der Schlüssel. Erste Versuche durch eine zusätzliche Schwefelgabe verbessert zwar den Feuchtklebergehalt, führte aber nicht zu einer messbaren Eiweißsteigerung und bleibt somit für den Landwirt ökonomisch ohne Effekt.
Diskutiert wurde zudem eine Beispielsrechnung, dass ein Ertragsverlust von bis zu 12 % tolerierbar wäre, wenn ein höherer Eiweißgehalt durch Aufgeld für A-Weizen am Markt vergütet werden würde. Klar ist: Die Kombination aus angepasster Sortenwahl und gezielter Düngung entscheidet darüber, ob die geforderte Qualität im Weizenanbau erreicht werden kann. Das Dilemma besteht darin, dass die Bewertung von Sorten inzwischen auf Backqualität abzielt, während der Handel weiterhin Proteinwerte honoriert. Landwirte müssen daher Sortenwahl, Düngung und Anbaubedingungen gezielt auf die Proteinausbildung abstimmen, um wirtschaftlich optimal zu produzieren.
Planungssicherheit und Verlässlichkeit sind notwendig
Markus Gerhardy betonte abschließend die Bereitschaft der Landwirtschaft, sich sortenorientiert aufzustellen, wenn Sorteneigenschaften verlässlich und die Vermarktung gesichert sind. Hierbei seien die regionalen Sortenempfehlungen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen besonders hilfreich. Die größte Herausforderung aber bleibe die durch gesetzliche Vorgaben begrenzte Stickstoffdüngung, die die Proteinausbildung im Qualitätsweizen erschwert.