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„Digitaler Ackerbau – von der Forschung in die Praxis“

Rückblick auf die Tagung der Akademie Burg Warberg und des Ackerbauzentrums Niedersachsen auf der Burg Warberg am 30.11.2022 - gefördert von der Landwirtschaftlichen Rentenbank

Die Tagung zur Digitalisierung des Ackerbaus stellte die Rolle des Menschen in den Mittelpunkt. René Borresch, Geschäftsführer der Akademie Burg Warberg, und Hilmar Freiherr von Münchhausen, Leiter des Ackerbauzentrums Niedersachsens, begrüßten die Teilnehmer zu der gemeinsamen Veranstaltung und unterstrichen gleich zu Beginn, dass beim Thema Digitalisierung viel über die technischen Prozesse gesprochen wird, aber wenig über die Konsequenzen, die diese für die landwirtschaftlichen Betriebe und die dort tätigen Personen bedeuten. Dr. Cord Stoyke, Abteilungsleiter am Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, hob in seinen Begrüßungsworten die Unterstützung hervor, die die Digitalisierung bei den Herausforderungen in der Landwirtschaft leisten kann. Allerdings merkte er an, dass eine ökonomisch und ökologisch tragfähige Lösung von größter Bedeutung sei. In diesem Zusammenhang seien die Wirtschaftlichkeit von Investitionen in die Digitalisierung und der verstärkte Wissenstransfer in die landwirtschaftliche Praxis zentrale Themen. Landwirtschaftliche Betriebe müssten unabhängig von ihrer Größe und Ausrichtung digital fit gemacht werden.

Das Berufsbild des Landwirts in der Zukunft

Professor Ludger Frerichs von Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge der Technischen Universität Braunschweig eröffnete mit seinem Vortrag zur digitalen Transformation der Landwirtschaft die Tagung. Er zeichnete die Entwicklungsgeschichte der Landwirtschaft auf und stellte fest, dass sich die Landwirtschaft schon längst auf dem Weg in das digitale Zeitalter befindet. Dieses wurde besonders anschaulich bei der Mechanisierung der Feldbewirtschaftung, ausgehend vom Zugpferd über Traktoren und Selbstfahrer bis hin zum Roboter. Dieser Entwicklungsprozess macht deutlich, dass bestehende Landmaschinen schon immer durch neuartige, effizientere Lösungen ersetzt wurden. Professor Frerichs plädierte dafür auch weiterhin offen für derartige Umbrüche zu sein. Es sei eine systemische Betrachtungsweise aus Sicht der Pflanze notwendig, um eine zielgerichtete technologische Weiterentwicklung realisieren zu können. Dazu sollten Maschinen nicht mehr nur als individuelle Einheit, sondern als Teil eines Systems betrachtet werden.

Professor Michael Clasen von der Abteilung Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Hannover geht davon aus, dass das analoge Wissen des Landwirts ergänzt oder sogar ersetzt wird. Denn digitale Lösungen mit künstlicher Intelligenz können die neu entstehende Komplexität der Datenvielfalt und -menge viel leichter erfassen als der Mensch. Das Wissen würde zukünftig von der „Crowd“, der Gesamtheit der Landwirte, erzeugt und in die „Cloud“ hochgeladen, um dort wieder für die Landwirtschaft abrufbar zu sein. Dazu müsse aber der Landwirt kein IT-Experte werden, da die Nutzeroberflächen immer bedienerfreundlicher werden würden. Wie weit sich der Acker in einer Vision selbst bestellt und der Landwirt die Technik remote von seinem Büro aus steuert, blieb als Zukunftsperspektive strittig. Professor Frerichs unterstrich in diesem Zusammenhang die Bedeutung des landwirtschaftlichen Fachwissens und der nicht zu ersetzenden Rolle des Landwirts als Supervisor im Pflanzenbau. Einig waren sich die Referenten, dass die Digitalisierung hilft, dem bestehenden und sich verstärkenden Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken.

Knackpunkte bei der Digitalisierung: Kosten, Daten, Sicherheit

Die Digitalisierung von Prozessen und Verfahren in der Landwirtschaft verursacht auch Bedenken bei den landwirtschaftlichen Betrieben. Die hohen Fixkosten sind ein Hemmnis für Investitionen in neue Technologien. Dr. Thomas de Witte vom Institut für Betriebswirtschaft des Johann Heinrich von Thünen-Instituts betonte jedoch, dass sich durchaus ausreichende Nutzenpotenziale digitaler Verfahrensansätze in Praxisversuchen identifiziert werden konnten. Die Unsicherheit bei den landwirtschaftlichen Betrieben bleibe dennoch hoch, da der ganzheitliche Mehrwert aufgrund unterschiedlicher betrieblicher und externer Faktoren unsicher ist. Eine Abhilfe könnten neue Geschäftsmodelle wie das Pay for Use-Konzept sein. So hätte der Landwirt die Gelegenheit digitale Technologien für Ackerfrüchte einzusetzen, die die höchsten Effizienzpotenziale bergen. Diese lägen beispielsweise bei Mais, da hier der größte Effekt auf die Erntemenge und -qualität vorhanden sei. Diese Herangehensweise reduziere das wirtschaftliche Risiko und biete die Möglichkeit, Landwirte an die Digitalisierung heranzuführen.

Neben der Wirtschaftlichkeit ist der Umgang mit den Daten ein kritischer Punkt aus Sicht der landwirtschaftlichen Betriebe. Durch die Digitalisierung wird es möglich, eine immer größere Datenvielfalt und -menge zu erheben. Johanna Hellfeier vom Bundesverband der Maschinenringe e. V. stellte eine Studie der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft aus dem Jahr 2020 vor, bei der der Großteil der Landwirte als Ort für die Speicherung, Vernetzung und Analyse von betrieblichen Daten den eigenen PC mit lokaler Software oder Datenplattformen von bäuerlichen Selbsthilfeeinrichtungen nutzte. Nur wenige wählten als Speicherort die Datenplattformen von Landtechnik- oder Softwareherstellern aus.

Dr. Henning Müller vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH und Vorsitzender des Agrotech Valley Forum e. V. machte sich für einen Perspektivwechsel stark: Daten müssten als Chance gesehen werden, um eine zielgerichtete und individualisierte Flächenbewirtschaftung durch die landwirtschaftlichen Betriebe zu ermöglichen. Dies würde auch dabei helfen, gesellschaftliche Ziele wie den Klimaschutz oder die Verbesserung des Tierwohls zu erreichen. Durch eine übergeordnete digitale Datenplattform können die vielfältigen länderspezifischen Ansätze sinnvoll zusammengeführt und so die Arbeit der landwirtschaftlichen Betriebe übersichtlicher und einfacher gestaltet werden. Dr. Müller verwies dabei auf die Machbarkeitsstudie zu staatlichen, digitalen Datenplattformen für die Landwirtschaft, die im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) durchgeführt wurde und fundierte Vorschläge für ein abgestimmtes Vorgehen enthält.  

Um den Schutz der Datenhoheit zu gewährleisten, schlug Dr. Müller das Konzept einer „geschützten Datentransparenz“ vor, das vom Zukunftslabor Agrar des ZDIN (Zentrum für Digitale Innovationen Niedersachsen) bearbeitet wird. Damit könnten sowohl die landwirtschaftlichen Daten zwischen den einzelnen Gliedern des Wertschöpfungsnetzes bedarfsorientiert bereitgestellt als auch das nachvollziehbare Interesse der verschiedenen Akteure an der Wahrung ihrer Datenhoheit gewährleistet werden. Aus seiner Sicht wird das Thema der Cybersicherheit im landwirtschaftlichen Bereich ungenügend berücksichtigt. Hier fehle es an Technik und Wissen auf den Betrieben. Er forderte Informationskampagnen, bessere Aufklärung in der Aus- und Weiterbildung und eine gezielte Förderung für die Landwirtschaft wie sie auch Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU) im Rahmen des mittlerweile ausgelaufenen Programms „Digitalbonus Niedersachsen“ zuteilwurde.

Zu bearbeitende „Baustellen“ gibt es auch bei den automatisierten Fahrfunktionen. Professor Frerichs merkte an, dass wichtige rechtliche Fragestellungen noch nicht geklärt seien. Reicht es aus, auf dem Feld ein Schild mit dem Warnhinweis „Achtung! Freilaufender Roboter – Betreten auf eigene Gefahr“ aufzustellen? Dr. Müller ergänzte in seinen Ausführungen, dass im Kontext einer autonomen Flächenbewirtschaftung verstärkt die Arbeitsprozesse in den Fokus genommen werden müssen. Das Wissen, um das jeweils optimale Arbeitsergebnis muss ebenso in die Maschinen integriert werden, wie das Erkennen von Fehlern. Derzeit am Markt verfügbare Anbaugeräte haben oftmals nicht die notwendige Sensorik und Aktorik, um Einstellungen automatisiert anpassen zu können.

Medienkompetenz ist nicht gleich Digitalkompetenz

Ein weiterer Block der Veranstaltung widmete sich der Fragestellung, wie den landwirtschaftlichen Betrieben dabei geholfen werden kann, digitale Kompetenzen aufzubauen. Alle Referenten mahnten hier einhellig den großen Bedarf an Aus- und Weiterbildung an.

Bei der Ausbildung wies Dr. Müller unter anderem auf Defizite bei Berufsschullehrern und Berufsschullehrerinnen hin. So sei der Rahmenlehrplan im Ausbildungsberuf Landwirtschaft aus dem Jahr 1994. Zudem merkte er an, dass die vergleichsweise hohe digitale Medienkompetenz der jüngeren Generation nicht mit einer Digitalkompetenz gleichzusetzen sei. Hierfür seien viel tiefgreifendere Fachkenntnisse notwendig.

Dr. Klaus Schröter, Geschäftsführer der DEULA Hildesheim GmbH, betonte, dass bei dem handlungsorientierten, ausgelagerten Berufsschulunterricht an den DEULEN viel Wert auf eine gute Grundausbildung gelegt wird. Er beschrieb als eine zukünftige Herausforderung die zusätzliche Ausbildungszeit für den Bereich Digitalisierung und Digitalkompetenz. Hier sieht er noch „Luft nach oben“. Allerdings unterstrich er, dass die DEULEN als selbstständige Unternehmen dieses zusätzliche Bildungsangebot auch finanziell stemmen müssten.

Peer Leithold, Geschäftsführer der Agricon GmbH, hebt in seinem Vortrag hervor, dass die Ackerfläche grundsätzlich als heterogen einzustufen sei. Deswegen misst er den Technologien der Präzisionslandwirtschaft eine besondere Bedeutung zu. Um damit vertraut zu werden, sind Fortbildungsmöglichkeiten wie der Zertifikatslehrgang „Digitaler Ackerbau im Jahreszyklus“ der Akademie Burg Warberg wichtig. Sie bieten der Landwirtschaft eine praxisorientierte Weiterbildung. Ausgangspunkt aller digitalen Überlegungen im Ackerbau sind dabei immer die agronomischen Regeln des integrierten Pflanzenbaus.

Als weitere Fortbildungsmöglichkeiten wurde zudem von mehreren Referenten auf die Online-Angebote der Digitalen Experimentierfelder des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft hingewiesen. Dr. Jürgen Kauke von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen stellte als einen weiteren Teil der Fortbildung die Schulungstrucks des PraxisLabors Digitaler Ackerbau vor. Johanna Hellfeier verwies auf die Notwendigkeit digitaler Betriebshelfer.

Volker Hahn, Landwirt und Vorsitzender des Netzwerks Ackerbau Niedersachsen e. V., gab in seinem Schlusswort zu Bedenken, dass die Skepsis der Landwirte ernst genommen werden sollte, weil sie es seien, die die langfristigen Investitionsentscheidungen zu treffen haben. Die landwirtschaftlichen Betriebe haben die Sorge, dass die neu angeschafften Technologien morgen schon wieder veraltet sein können. Insgesamt sei jedoch der technische Fortschritt bei der Digitalisierung zu begrüßen und eröffne große Chancen für einen nachhaltigen Ackerbau.

Hier finden Sie das Programm der Tagung und die Präsentationen der Referenten. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an uns unter: Info@Netzwerk-Ackerbau.de

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