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Ackerbau-Projekt des Monats: AgroWiNs

Agroforstsystem mit Pappelstreifen © C. Böhm

Rund um den Ackerbau gibt es viele innovative Ideen. In Niedersachsen finden hierzu zahlreiche spannende Forschungsaktivitäten statt. Wir wollen sie sichtbarer machen und dabei helfen, Erkenntnisse zu verbreiten. Deshalb stellen wir jeden Monat ein Projekt vor. Das Projekt im Juli heißt AgroWiNs und wird vom Deutschen Fachverband für Agroforstwirtschaft (DeFAF) e.V. umgesetzt.

AgroWiNs – Agroforst in die Praxis: Förderung des Wissenstransfers zur praktischen Umsetzung und der Sichtbarkeit von Hemmnissen und potenziellen Lösungen für Agroforstsysteme in Niedersachsen

Agroforstsysteme sind die Kombination von Pflanzenbau und/ oder Tierhaltung mit produktiven Gehölzen auf derselben Fläche. Diese multifunktionale Form der Landnutzung bietet neben der wirtschaftlichen Verwertung weitere Vorteile für Landwirtschaft und Naturschutz. So können Agroforstsysteme die Resilienz der Agrarlandschaft gegen Wetterextreme stärken durch u.a. Erosionsschutz und die Biodiversität durch mehr Strukturvielfalt fördern.

Allerdings sind die Hürden zur Etablierung von Agroforstsystemen hoch. Zentrale Hemmnisse sind die hohen Investitionskosten und die bürokratischen Hürden, unzureichende rechtliche Rahmenbedingungen sowie fehlendes Wissen und Kommunikationsbarrieren zwischen den relevanten Akteuren, beispielweise zwischen Landwirtschaft und Naturschutzbehörden. Um diesen Herausforderungen in Niedersachsen zu begegnen, wurde das Projekt AgroWiNs ins Leben gerufen. In dem Vorhaben sollen die Hemmnisse analysiert, aufgezeigt und lösungsorientiert angegangen werden. Die Projektziele werden in drei Schwerpunkten umgesetzt:

  1. Praxisorientierte Video-Tutorials werden erarbeitet und verbreitet, um den Einstieg in die Agroforstwirtschaft zu erleichtern.
  2. Beiträge über die Agroforstwirtschaft werden auf externen Veranstaltungen sowie einer eigenen Veranstaltung thematisiert, um den Wissenstransfer und die Vernetzung der Akteure zu stärken.
  3. Eine Potenzialanalyse für Agroforstsysteme in Niedersachsen wird erarbeitet, um eine Orientierungshilfe für die Akteure anzubieten. Mit ihr sollen die Regionen in Niedersachsen identifiziert werden, in denen die positiven Effekte von Agroforstsystemen besonders stark genutzt werden könnten.
Produktion der Lernreportagen zu Agroforstwirtschaft © M. Drzisga

Über Agroforstsysteme und das Projekt sprach Dr. Stefanie Schläger vom Ackerbauzentrum Niedersachsen mit Isabelle Frenzel vom Deutschen Fachverband für Agroforstwirtschaft (DeFAF) e.V.:

Agroforstsysteme sind keine neue Erfindung. Können Sie (kurz) umreißen, was das große Engagement für Agroforstsysteme in den letzten Jahren ausgelöst hat, wie die Gründung des DeFAF e.V. im Jahr 2019?

Agroforstsysteme wie Schneitelwirtschaft (z. B. Eschen, Ulmen), Holzwiesen, Kopfweiden, Zeidlerei, Streuobst, Hutewälder und Knicks mit ökonomischer Bedeutung sind historisch tief verwurzelt in Deutschland. Mit der zunehmenden Mechanisierung wurden Gehölze aber oft als störend in der Landwirtschaft empfunden und vielerorts entfernt. Allerdings merken wir heute die negativen Effekte, wie Biodiversitätsverlust oder die Zunahme von Erosionsereignissen. Wir als DeFAF e.V. fördern Agroforstsysteme, indem wir Wissen aufbereiten, Akteure vernetzen und als fachlicher Ansprechpartner Politik, Verwaltung und Praxis unterstützen – damit Agroforstwirtschaft in Deutschland zukunftsfähig wachsen kann. Der DeFAF e.V. gründete sich am 25. Juni 2019. Nachdem das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt AUFWERTEN in Brandenburg (2014–2019) wichtige Grundlagenarbeit leistete, initiierten Dr. Christian Böhm und Thomas Domin mit weiteren Ehrenamtlichen die Gründung des DeFAF e.V. Ich fing 2021 als Referentin beim DeFAF e.V. an zu arbeiten. Zu dem Zeitpunkt bestand unser Team aus 3 Hauptamtlichen – heute sind es 13, verteilt auf verschiedene Projekte und Themengebiete der Agroforstwirtschaft. Neben den hauptamtlichen Mitarbeitern in der Geschäftsstelle, haben wir viele sehr aktive Ehrenamtliche, die das Thema in ihren Bereichen voranbringen. Die Zahl der Mitglieder liegt mittlerweile bei über 500. Das wachsende Interesse und die steigende Mitgliederzahl unterstreichen nicht nur die Bedeutung der Agroforstwirtschaft, sondern verschaffen dem DeFAF e.V. auch auf politischer Ebene zunehmendes Gehör.

Wie schätzen Sie die Entwicklung seitdem allgemein für Agroforstsysteme ein?

Seit 2019 ist ein deutlich wachsendes Interesse an Agroforstsystemen zu beobachten – sowohl auf politischer Ebene als auch in der Praxis. Ein bedeutender Schritt war die Definition von Agroforstsystemen für die Förderperiode 2022, für die sich der DeFAF e.V. eingesetzt hatte. Mit dieser Definition (nachzulesen §4 GAPDZV) wurde eine grundlegende Definition geschaffen, mit der auch der Acker- oder Grünlandstatus einer Fläche erhalten bleibt, was vor allem für die landwirtschaftliche Praxis von Bedeutung ist. Einige Bundesländer wie Bayern oder Mecklenburg-Vorpommern haben bereits Förderrichtlinien zur Anlage von Agroforstsystemen etabliert. Damit Agroforst flächendeckend eine Chance hat, braucht es Förderungen in allen Bundesländern – und dabei möglichst niedrigschwellig und unbürokratisch. Agroforstwirtschaft wird zunehmend nicht mehr nur als Nischenthema betrachtet, sondern als ernstzunehmende Bewirtschaftungsform wahrgenommen – mit großem Potenzial für mehr Klimaresilienz, Biodiversität und regionaler Wertschöpfung. Sie bietet einen wichtigen Lösungsansatz für viele der aktuellen Herausforderungen. Gleichzeitig liegt noch einiges an Arbeit vor uns: Nur durch ausreichend Informationsweitergabe, eine enge Zusammenarbeit verschiedener Akteure und attraktiver Förderung kann es gelingen, Agroforstsysteme flächendeckend in Deutschland zu etablieren.

Die erste Hälfte der Projektzeit von AgroWiNs ist um. Welche Erkenntnisse können Sie bereits zum jetzigen Zeitpunkt teilen?

Im Rahmen des Projekts liegt unser besonderer Schwerpunkt auf Niedersachsen. Hier soll noch in diesem Jahr durch das zuständige Ministerium eine Förderrichtlinie für die Anlage von Agroforstsystemen veröffentlicht werden. Unsere praktischen Erfahrungen konnten wir im Rahmen einer Verbandsanhörung in die Ausgestaltung der Richtlinie einbringen. Ein zentrales Element des Projekts war weiterhin die Organisation der Agroforst-Praxistage im Februar, bei denen an jeweils zwei Veranstaltungstagen über 40 Teilnehmende vernetzt wurden. Fachvorträge, eine Exkursion sowie eine Schaupflanzung ermöglichten praxisnahe Einblicke in die Umsetzung von Agroforstsystemen. Durch die Veranstaltung sind neue Netzwerke entstanden und bestehende wurden gestärkt. Neben der selbstorganisierten Veranstaltung wird über das Projekt an externen Veranstaltungen teilgenommen, wodurch das Thema bei Akteuren aus Landwirtschaft, Politik und Verwaltung noch präsenter wird. Durch die aktuell laufende Potenzialanalyse zeigt sich bereits, dass viele Gebiete in Niedersachsen über ein großes Potenzial für Agroforstsysteme verfügen. Die Analyse wird Ende des Jahres veröffentlicht und soll für regionale Akteure Anhaltspunkte liefern, wo Agroforst besonders sinnvoll umgesetzt werden kann. Parallel arbeiten wir an der Produktion von Lernreportagen, die zentrale Aspekte der Agroforstwirtschaft – etwa die Pflanzung oder Verwertung – kompakt und praxisorientiert aufbereiten. Die Vielfalt von Agroforstsystemen eröffnet große Chancen, stellt aber auch hohe Anforderungen an den Wissenstransfer. Trotz wachsendem Interesse fehlt es in der Breite oft noch an Wissen über die Agroforstwirtschaft – genau hier setzt unsere Projektarbeit an, um praxisnahes Wissen zu generieren und gezielt Lücken zu schließen.

Projektlaufzeit: 01.12.2024 – 31.12.2025