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Vorstellung der Praxispartner

Interview mit Jochen Rieke, Inhaber von "Obsthof Rieke" in Neustadt am Rübenberge

Alexandra Spahn: Guten Tag Herr Rieke. Schön, dass Sie sich die Zeit für ein Interview genommen haben. Wie sind Sie denn zu Ihrem Betrieb gekommen und seit wann befindet er sich in Ihrem Besitz?

Jochen Rieke: Im Zuge meines landwirtschaftlichen Studiums habe ich in den Sommersemesterferien ein Praktikum bei Herrn Wassermann (Anm.: Vorbesitzer des Betriebes) gemacht. Da mich Sonderkulturen und Direktvermarktung schon immer interessiert haben und wir uns auch im Osten Deutschlands einen Betrieb mit Heidelbeeren angeschaut haben, wollte ich mehr über diese Kultur erfahren.
Nach dem ersten Praktikum hat mich Herr Wassermann gefragt, ob ich Interesse daran hätte seinen Betrieb zu übernehmen. Daraufhin wurde dann im folgenden Jahr das Ganze näher betrachtet und die zustimmende Entscheidung fiel.

Alexandra Spahn: Wie war zu diesem Zeitpunkt die betriebliche Ausrichtung und wie hat sie sich seitdem verändert?

Jochen Rieke: Der Betrieb wurde im Oktober 2010 von mir und meinem Vater übernommen. 2010 hatte der Betrieb eine Anbaufläche von 7,7 ha Heidelbeeren und 0,75 ha weiterem Beerenobst, darunter Himbeeren, Johannisbeeren, Stachelbeeren, Aroniabeeren usw.
Die betriebliche Ausrichtung lag hauptsächlich in der Direktvermarktung ab Hof und dem Streckengeschäft, also der Direktbelieferung unterschiedlicher Supermärkte und Lebensmitteleinzelhändler. In den folgenden Jahren konnten wir den Betrieb ausbauen und noch eine weitere Heidelbeerplantage pachten, sodass wir aktuell ca. 30 ha mit Heidelbeeren bewirtschaften. Die anderen Kulturen wurden gerodet. Des Weiteren sind wir durch den Pachtbetrieb auch in die Vermarktung über Großhändler eingestiegen.

Alexandra Spahn: Was ist die besondere Herausforderung beim Anbau von Blaubeeren? Was macht Blaubeeren so besonders im Vergleich zum klassischen Ackerbau?

Jochen Rieke: Heidelbeeren brauchen vor allem einen sauren Standort, die natürlichen Standorte sind Moorflächen. Man kann Heidelbeeren auch auf nachgemachten Standorten kultivieren, dies setzt aber ein noch höheres Investitionsvolumen voraus, da großen Mengen Substrat eingefahren werden müssen. Zu bedenken ist ebenfalls, dass Heidelbeeren vom Setzen der 3-jährigen Jungpflanze bis zum Erreichen des Vollertrages ca. 10 Jahre brauchen. In den ersten zwei bis drei Jahren hat man nur Kosten. Die nachfolgenden Jahre trägt sich die Kultur und etwa ab dem fünften Standjahr fängt man an, Geld zu verdienen. Man muss also sehr geduldig bei der Kultivierung von Heidelbeeren sein. Eine weitere Herausforderung beim Anbau von Heidelbeeren ist, dass Heidelbeeren eine sehr personalintensive Kultur sind. Als Beispiel: Um 100 kg Äpfel zu erzeugen benötigt man 1,3 Arbeitsstunden. Bei Heidelbeeren sind es dagegen 22 Arbeitsstunden.

Alexandra Spahn: Wie sieht Ihr betrieblicher Jahresablauf aus mit Anbau, Ernte und Vermarktung?

Jochen Rieke: Der betriebliche Jahresablauf sieht folgendermaßen aus:
In den Wintermonaten werden die Heidelbeeren geschnitten. Unser Ziel ist es, dicke und qualitativ hochwertige Beeren zu produzieren, da spielt der Schnitt eine sehr große Rolle. Nach Möglichkeit wird jeder Busch jedes Jahr geschnitten. Wir schneiden von Oktober bis zur Blüte im Frühjahr. In den Wintermonaten werden außerdem Pflegemaßnahmen an den Bäumen, Hecken und Zäunen in den Plantagen durchgeführt.

Mit Beginn der Vegetation im Frühjahr beginnen auch die kulturspezifischen Arbeiten wie Pflanzenschutz, Unkrautbekämpfung und Düngung. Die Plantagen werden ab diesem Zeitpunkt auch regelmäßig gemulcht. Parallel dazu wird Ende März die Frostschutzberegnung überprüft und vorbereitet, so dass bei Bedarf die Blüten in kalten Nächten geschützt werden können. Mit dem Beginn der Blüte ziehen auch die Bienen- und Hummelvölker zur Bestäubung in die Plantagen ein. Als Nächstes wird alles für die Ernte vorbereitet. Dies beinhaltet das Vorbereiten der Unterbringungen für die Saisonkräfte und das Aufstellen von Tischen, Stühlen und Zelten auf den Plantagen zur Pausennutzung. Auch sanitäre Einrichtungen werden aufgestellt.

Außerdem müssen wir die Fahrzeuge für die Ernte vorbereiten und die Verpackungsanlage und Kühlhäuser in Betrieb nehmen. Die Lagerstätten für Verpackungsmaterial müssen auch geräumt werden. Bei Beginn der Ernte und Vermarktung werden die Pflücker*innen in die betrieblichen Abläufe eingewiesen. Die Vermarktung beginnt hofnah und weitet sich dann mit zunehmendem Ertrag immer weiter aus.
Nach der Ernte wird alles wieder abgebaut, verstaut und eingelagert. Im Herbst findet eine letzte Unkrautbehandlung, sowie das finale Mulchen der Plantagen statt. Ab Oktober beginnt dann wieder der Schnitt der Heidelbeeren.

Alexandra Spahn: Welche Entwicklungen haben Sie in den letzten Jahren beim Anbau und der Vermarktung von Blaubeeren beobachtet?

Jochen Rieke: Festhalten lässt sich, dass der Anbau von Heidelbeeren in den letzten Jahren nicht einfacher geworden ist. Die Betriebe müssen sich neuen Herausforderungen stellen. Das Wetter wird immer unberechenbarer. Durch die Trockenheit und steigenden Durchschnittstemperaturen hat sich das Erntefenster um ca. 10-14 Tage verkürzt. Dies bedeutet, dass mehr heimische Ware zur gleichen Zeit auf dem Markt ist als noch vor einigen Jahren. Auch der gestiegene Mindestlohn macht den heimischen Betrieben Druck, da das Ausland, auch unsere Nachbarländer, einen deutlich niedrigeren Mindestlohn haben. Durch die Globalisierung machen sich auch neue Schädlinge breit, welche die Qualität der Ernte massiv beeinflussen können. Positiv ist, dass der Verzehr von Heidelbeeren pro Kopf und Jahr stetig steigt und somit unter angepassten Produktionsbedingungen weiter Heidelbeeren kultiviert werden können.

Alexandra Spahn: Wie sind Sie zum Projekt „BlaubaD“ gekommen und was erwarten Sie von einer Teilnahme am Projekt?

Jochen Rieke: Ich wurde vom Laserzentrum Hannover e.V. angesprochen, ob ich Interesse habe, an dem Projekt „BlaubaD“ teilzunehmen. Meine Erwartungen an das Projekt sind herauszufinden, ob es durch die Lagerung der Heidelbeeren mit Blaulicht möglich ist, die Lagerdauer effizient zu erhöhen.  Das würde den Betrieben eine längere Vermarktung der Heidelbeeren aus dem Kühlhaus oder Lager ermöglichen. Eine Lagerung von Heidelbeeren bis Mitte/Ende September, vielleicht sogar Oktober, würde einen deutlich höheren Verkaufspreis pro kg Heidelbeeren ermöglichen. Und auch die Reduktion der Marktmenge durch Einlagerung in den Sommermonaten würde den Markt entlasten und sollte somit auch den Preisdruck reduzieren.

Alexandra Spahn: Wie stellen Sie Ihren Betrieb zukunftssicher auf? Wohin geht Ihrer Meinung nach der Trend im Hinblick auf Anbau von Lebensmitteln und Ernährung der Bevölkerung?

Jochen Rieke: Aktuell ist der heimische Heidelbeeranbau in einer gewissen Umstrukturierungs- beziehungsweise Findungsphase. Wir haben den Betrieb in den letzten Jahren ausbauen können. Zum jetzigen Zeitpunkt liegt unser Augenmerk aber nicht mehr auf Flächenwachstum, sondern eher darin, die vorhandenen Flächen im Ertrag zu sichern oder gar zu steigern, um gestiegene Kosten aufzufangen. Auf der anderen Seite bereiten wir Flächen für die maschinelle Ernte von Heidelbeeren vor. Tendenziell wird die Ernährung der Bevölkerung in den nächsten Jahren ein sehr spannendes Thema werden: Steigende Bevölkerungszahlen, schwindende Flächen, ungewisse klimatische Bedingungen. Im Obstbau ist ein Trend zum geschützten Anbau zu erkennen, welcher aber mit enormen Kosten verbunden ist. Auf der anderen Seite können so die Produktion besser abgesichert und auch Ertragssteigerungen erzielt werden. In den Industrienationen lässt sich beobachten, dass der Trend zu so genannten „super foods“ stetig steigt – hierzu zählt auch die Heidelbeere.

Alexandra Spahn: Herr Rieke, vielen Dank für das Interview und Ihre Zeit. Wir wünschen Ihnen einen erfolgreichen Start in die Saison!