Digitaler Ackerbau zum Anfassen
Landwirtschaftlicher Innovationstag am 5. Juni 2023 auf dem Rittergut Hoppensen und im KWS Blockhaus Wetze
Am 5. Juni 2023 trafen sich rund 80 Landwirte, Vertreter von Landtechnikunternehmen, Agrarverwaltung, -forschung und -politik zum ersten landwirtschaftlichen Innovationstag. Organisiert hatte dieses Treffen ein breites Bündnis aus verschiedenen Organisationen. Sie einte das Ziel, den Einzug von digitalen Anwendungen im Ackerbau mit landwirtschaftlichen Praktikern zu diskutieren. Digitale Innovationen in der Landwirtschaft ergänzen das Wissen und die Erfahrung des Praktikers und leisten einen Beitrag zu gesunden Pflanzenbeständen, effizientem Einsatz von landwirtschaftlichen Inputs und einer einfacheren Verwaltung. Auf dem landwirtschaftlichen Innovationstag wurden neue Technologien vorgestellt und durch Demonstrationen auf dem Feld erlebbar gemacht. Ackerbaubetriebe sollten sich inspirieren lassen und in den Austausch mit Digitalisierungsexperten und anderen Praktikern gehen und so neue Ideen für ihren Betrieb mitnehmen.
Bei strahlendem Sonnenschein begrüßte Christoph von Breitenbuch auf dem von ihm bewirtschafteten Rittergut Hoppensen die Gäste. Mit von der Partie war der Eigentümer Ludolf von Dassel. In ihren Redebeiträgen unterstrichen Dr. Bernd von Garmissen als Direktor der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Henrich Meyer zu Vilsendorf, Referatsleiter im Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und Hilmar Freiherr von Münchhausen, Geschäftsführer des NAN und Leiter des Ackerbauzentrums Niedersachsen die Bedeutung der zunehmenden Digitalisierung für einen nachhaltigen Ackerbau und für die Umsetzung der niedersächsischen Ackerbau- und Grünlandstrategie.
Auf dem Rittergut Hoppensen wurde der digitale Fortschritt im Ackerbau über vier Stationen präsentiert und erlebbar gemacht. Unter der Fragestellung „Wie kann ich den Einsatz von Herbiziden reduzieren?“ präsentierten Christoph von Breitenbuch und Hannes Meyer von der Abteilung Agrartechnik der Georg-August-Universität Göttingen ein mechanisches Verfahren zur Unkrautkontrolle mittels einer Hacke, die über Applikationskarten gesteuert wird. Die Kartierung der Unkräuter erfolgt über eine vorherige Drohnenbefliegung. Durch die Funktion der „Section Contol“ kann die Hacke auf dem Feld nur die Stellen mit den kartierten Unkräutern bearbeiten.
Bei einer zweiten Station konnten sich die Teilnehmer ein Bild von dem Potential der Drohnentechnologie machen. Steffen Konnemann, Abteilung Agrartechnik der Georg-August-Universität Göttingen, und Nora-Sophie Eichhorn von KWS erläuterten die Möglichkeiten des Drohneneinsatzes zur besseren Erfassung des Pflanzenbestandes.
Andreas Heckmann und Johann Oevermann von der Agvolution GmbH, einer Ausgründung der Georg-August-Universität Göttingen unterstrichen bei einer dritten Station die Bedeutung von verbesserter Sensortechnik. „Wie kann ich den relevanten Wetterverlauf auf meinen Schlägen noch kleinräumiger messen und vorhersagen?“ lautete ihre Fragestellung. Überzeugend präsentierten sie Feldsensoren, deren Wetterdaten in ein Modell einfließen, mit dem der Landwirt noch genauer die Ausbringung von Dünger und Pflanzenschutzmittel steuern kann.
Für KWS Saat SE & Co KGaA zeigte bei einer vierten Station Fabian Boeke, wie digitale Beratungssysteme direkt auf dem Acker genutzt werden können. Beispielhaft wählte er die Optimierung der Aussaatstärke.
Voll von den ersten Eindrücken fuhren die Teilnehmer in das nahe gelegen Blockhaus Wetze, einem Tagungsraum von KWS. Dort präsentierte FENDT in Kooperation mit Agravis drei Traktoren der neuesten Generation. Der Tagungsraum wurde zum Büro eines landwirtschaftlichen Betriebs. Daten wurden von dort an die Traktoren gesendet und via WebCam verfolgten die Teilnehmer des Praktikertages, wie der Schlepperfahrer die ankommenden Daten verarbeitete und in seinen Arbeitsprozess umsetzte. Ein beeindruckendes Beispiel, wie die Digitalisierung im Ackerbau erlebbar gemacht werden kann – für Beratung oder Maßnahmen der Weiterbildung.
An diese Praxispräsentation schlossen sich von Nora-Sophie Eichhorn (KWS) und Andreas Heckmann (Agvolution) zwei Vorträge an, die unterstrichen, wie wichtig leistungsfähige Internetverbindungen – 5 G – für die Landwirtschaft sind. Dies trifft auf Themen der Pflanzenzüchtung ebenso zu wie für die Verarbeitung all der Umweltdaten, die dabei helfen, den Einsatz landwirtschaftlicher Inputs zu optimieren. Andreas Heckmann hob hervor, dass das Ziel jeglicher Technik die Erhöhung des Unternehmenserfolgs bei gleichzeitiger Verminderung negativer Umwelteinflüsse ist. Hierzu ist die Technik nur eine Methode, die durch eine bessere Datengrundlage und Automatisierung den Menschen in seiner Entscheidung und Bewirtschaftung unterstützt. Sie dient dazu täglich und auf jeder Teilfläche die limitierenden Ertragsfaktoren und Umweltrisiken zu erkennen und handeln zu können. Denn wie überall führen bessere Informationen über die Kultur, die Umwelt und die Bewirtschaftung auch zu besseren Entscheidungen, höherer Ressourceneffizienz und Profitabilität.
Schließlich präsentierten Professor Frank Beneke von der Abteilung Agrartechnik der Georg-August-Universität Göttingen und Dr. Jan Adolph von dem Fachgebiet Agrartechnik an der Universität Kassel die Bedeutung von Projekten, die sich mit der Umsetzung digitaler Innovationen befassen. Ein Beispiel ist das 2020 gestartete digitale Experimentierfeld FarmerSpace. Es bietet Akteuren aus Wissenschaft und Landwirtschaft eine Versuchsplattform, um digitale Technologien im Pflanzenschutz zu erproben. In Ergänzung dazu startete 2022 das Experimentierfeld DigiPlus an der Universität Kassel. Dieses Projekt fokussiert sich auf das Potential der Digitalisierung für Betriebe in der Ökologischen Landwirtschaft. Das Vorhaben hat aber auch für konventionelle Betriebe zwei wichtige Ansätze: Es geht bei der Digitalisierung nicht allein um ausgewählte Verfahren, sondern um einen ganzbetrieblichen Ansatz und um – zweitens – auch die Zusammenarbeit mit dem vor- und nachgelagerten Bereich. Wir alle sind gespannt auf die Ergebnisse aus diesem ehrgeizigen Vorhaben!
In der Abschlussdiskussion wurden zwei Themen vertieft, die auch das Ackerbauzentrum Niedersachsen aufgreifen wird: Zum einen steht die Frage im Raum, wie wir zukünftig mit Daten umgehen? Wem gehören sie, wer hat Zugriff darauf und wie können wir das Leitbild der „geschützten Datentransparenz“ leben? Dieses Konzept präsentierte Dr. Henning Müller vom Agrotech Valley Forum e.V. auf der Tagung zur Digitalisierung im Ackerbau, die das Ackerbauzentrum auf der Burg Warberg im November 2022 veranstaltet hatte. Es beschreibt die Notwendigkeit einerseits Daten zu schützen und sie andererseits auch der Agrargemeinschaft zur Verfügung zu stellen. Denn an Aussagekraft und damit an Wert gewinnen vor allem große Datenpools zu denen jeder Landwirt beisteuern kann. Der zweite diskutierte Themenbereich berührte die Aus- und Weiterbildung. Um die digitale Kompetenz auf den Höfen zu stärken, muss das Thema Digitalisierung als Querschnittsaufgabe in die Lehrpläne von Berufsschulen, Universitäten und Institutionen der Weiterbildung wie den DEULEN integriert werden.
Markus Gerhardy, Landwirt aus Südniedersachsen und Mitglied im Vorstand des Netzwerkes Ackerbau Niedersachsen e.V. (NAN) beendete mit seinen Worten den ersten landwirtschaftlichen Innovationstag und dankte allen Teilnehmern, Organisatoren und Unterstützern.