Rund um den Ackerbau gibt es viele innovative Ideen. In Niedersachsen finden hierzu zahlreiche spannende Forschungsaktivitäten statt. Die müssen noch sichtbarer werden. Darum stellen wir jeden Monat ein Projekt vor und beginnen diese Serie mit Projekten der NAN-Mitglieder. Das Mitglied für das Projekt im Februar ist die Technische Universität (TU) Braunschweig mit seinem Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge.
KibEZ – KI-basierte Ertragskartierung von Zuckerrüben
Das dreijährige Projekt befasst sich mit der Ertragskartierung von Zuckerrüben für die Präzisionslandwirtschaft. Um eine bedarfsgerechte Bewirtschaftung durchzuführen und das Ertragspotential der Pflanzenbestände auszuschöpfen, müssen die unterschiedlichen Bedingungen innerhalb der Ackerschläge berücksichtigt werden. Durch die kleinräumige Erfassung von Ertragsunterschieden können vorhergehende pflanzen- und ackerbauliche Maßnahmen überprüft werden. Zudem kann sie als eine Entscheidungsgrundlage für nachfolgende Vegetationsperioden herangezogen werden.
Die Ertragsmessung von Zuckerrüben findet derzeit über den Füllstand des Rübenbunkers mit Ultraschallsensoren statt. Damit wird das Volumen der Rüben erfasst, woraus sich nur unter der Annahme, dass die Dichte der Zuckerrüben konstant ist, der Ertrag ermitteln lässt. In der Praxis erweist sich diese Variante als ungenau. Präziser ist eine Messung der Masse. Das Projekt „KibEZ“ verfolgt das Ziel, eine entsprechende Messtechnik zu entwickeln. Grundlage dafür ist die Tatsache, dass die Prozessgrößen des Rübenroders in einem direkten Zusammenhang mit der gerodeten Rübenmasse stehen. In der Theorie bedeutet das Folgendes:
- Die Drehzahl der Reinigungselemente ist proportional zum Volumen der Zuckerüben.
- Der Druck der hydraulischen Antriebe ist proportional zu der geförderten Masse der Zuckerrüben.
Der Einfluss der vielen Prozessgrößen führt zu einem sehr komplexen System. Ein einfaches mathematische Modell kann das System nicht beschreiben. Die Lösung ist die Entwicklung einer Künstlichen Intelligenz (KI), die in der Lage ist, den Prozessgrößen einen Ertragswert zuzuordnen. Dazu muss die KI trainiert werden. Diese Trainingsdaten müssen von Prozessgrößen sein, denen bereits Ertragswerte zugeordnet sind.
Um diese Daten zu generieren, sind im Projekt Feldversuche geplant. Die Rübenernte wird dabei mit einem umgebauten Roder vorgenommen, mit dem die Rüben nach der Reinigungsstrecke direkt auf einem Schwad abgelegt werden. Anschließend werden die abgelegten Rüben meterweise händisch verwogen. Auf diese Weise kann der ermittelte Rübenertrag sehr genau den Prozessgrößen des Roders und dem Wuchsort der Zuckerrübe zugeordnet werden.
Das Fernziel ist eine KI-basierte Lösung für die Ertragskartierung von Zuckerrüben, die auf unterschiedlichen Maschinentypen verschiedener Hersteller einsetzbar ist. Diese Anwendung optimiert die Transportlogistik und die Kampagnenplanung.
Über das Forschungsvorhaben KibEZ sprach Dr. Stefanie Schläger vom Ackerbauzentrum Niedersachsen mit den Projektmitarbeitern Felix Bischoff und Dr. Jan Schattenberg.
Das Vorhaben befindet sich im dritten Projektjahr. Was konnten Sie in der Entwicklung bisher erreichen?
Der Erfolg des Projektes steht oder fällt letztendlich mit der Größe und Qualität des Trainingsdatensatzes, auf dem die Künstliche Intelligenz (KI) basiert. Daher fokussierten wir uns im bisherigen Projektverlauf primär auf die Aufzeichnung und Verarbeitung der über die Feldversuche gewonnenen Messwerte.
Als wir die erste Rodekampagne auswerteten, erkannten wir, dass die Felder, auf denen die Versuche stattgefunden haben, nur geringe Ertragsschwankungen aufwiesen. Das bestätigt den Landwirt in Hinblick auf seine erfolgreiche Durchführung der getätigten acker- und pflanzenbaulichen Maßnahmen. Für das Trainieren der KI eignen sich die Messdaten aufgrund ihrer geringen Variation aber nur bedingt. Für die Feldversuche der zweiten Rodekampagne wurde deshalb eine Versuchsparzelle angelegt, auf der der Rübenertrag künstlich u.a. durch Variation der Aussaatstärke und der Düngezufuhr vermindert wurde. Durch diese Maßnahmen konnten bei den Feldversuchen innerhalb einer Fahrbahn ein breites Ertragsspektrum erfasst werden. Das hat sich positiv auf die Qualität des Trainingsdatensatzes ausgewirkt.
Wie sind die Feldversuche bisher gelaufen?
Bei den Feldversuchen der ersten Rodekampagne haben wir uns darauf konzentriert, die von uns entwickelte Konstruktion zu Probenentnahme zu testen. Diese Konstruktion ähnelt einer Rutsche, die den Rübenstrom von der Reinigungsstrecke des Rübenroders aufnimmt, um 180° dreht und dem ausgeklappten Entladeband zuführt. Über das Entladeband werden die Rüben anschließend auf dem Feldboden neben dem Roder in einem Schwad für die anschließende Verwiegung abgelegt. Schon während des ersten Versuchstages stellte sich jedoch heraus, dass die Rüben auf dem 180°-Bogen der Rutsche so stark ausgebremst werden, dass sich die Rutsche mit Rüben zusetzt und verstopft. Daher war es erforderlich, diesen Ansatz zu überarbeiten.
Bei der weiterentwickelten Konstruktion handelt es sich auch um eine Rutsche, die die Rüben jedoch nicht über einen Bogen aus dem Roder, sondern auf einer geraden Bahn auf direktem Wege durch die Bordwand des Rübenroders auf dem Feldboden ablegt. Bei diesem Konzept dauerte der Einbau der Konstruktion wesentlich länger. Die restlichen Feldversuche der Rodekampagne konnten jedoch planungsgemäß durchgeführt werden.
Die zweite Rodekampagne war geprägt von dem weit überdurchschnittlich nassen Herbst, der die Versuchsdurchführung enorm erschwerte. Da sich die Feldversuche im Wesentlichen auf die Rodung der angelegten Versuchsparzelle fokussierten, war wenig Flexibilität bezüglich des Rodetermins vorhanden. Am ersten Tag der Versuchsdurchführung waren bedauerlicherweise die Wetterbedingungen besonders herausfordernd. Der Feldboden war durch die nassen Bedingungen sehr klebrig, wodurch viel anhaftende Erde mit den Zuckerrüben in den Roder aufgenommen wurde. Da selbst nach der Reinigung noch Erdreste an den Rüben hafteten, kam es zu Problemen mit der angebauten Rübenrutsche. Diese setzte sich langsam mit Erde zu. Dadurch rutschten die Zuckerrüben nur sehr langsam hinunter und stauten sich immer wieder bis zur Verstopfung der Rutsche auf. Um die Verstopfungen zu beseitigen, musste der Roder regelmäßig anhalten. Dadurch kam es zu einer Verfälschung der aufgezeichneten Messwerte und einer Haufenbildung auf dem Rübenschwad. Trotz mehrerer getesteter Rodereinstellungen konnte die Aufstauung des Rübenstromes nicht verhindert werden. Deshalb mussten wir die Feldversuche für diesen Tag aufgrund der Witterung abbrechen. Nach der Regenperiode war es uns aufgrund der vertraglichen Liefertermine der Rodegemeinschaft nur noch möglich einen kleinen Teil der Versuchsparzelle für die Erstellung des Trainingsdatensatzes zu roden.
Gerade in so nassen Jahren ist es schwer, Landwirte von der Projektidee zu überzeugen und sie zu bitten Felder bereitzustellen. Besonders wenn die Aussaat der Folgefrucht aufgrund der Wetterlage ungewiss ist, sinkt verständlicherweise die Bereitschaft Verzögerungen in Kauf zu nehmen.
Was ist für das letzte Versuchsjahr geplant?
Aktuell basiert die KI nur auf den Trainingsdaten der ersten Rodekampagne, weil die Messwerte der zweiten Rodekampagne noch nicht für die KI passend aufbereitet wurden. Dennoch ist bereits jetzt eine Proportionalität der Ausgangswerte zu den Referenzwerten zu erkennen. Steigt bzw. sinkt der Ertrag, so tut dies auch der Ausgangswert der KI. Für die restliche Projektlaufzeit ist daher geplant, die Genauigkeit der KI durch weitere qualitative Trainingsdaten zu verbessern. Dafür sind in der kommenden Rodekampagne eine Vielzahl an weiteren Feldversuchen geplant.