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Projekt des Monats: Zukunftslabor Agrar

Rund um den Ackerbau gibt es viele innovative Ideen. In Niedersachsen finden hierzu zahlreiche spannende Forschungsaktivitäten statt. Wir wollen sie sichtbarer machen und dabei helfen, Erkenntnisse zu verbreiten. Deshalb stellen wir jeden Monat ein Projekt vor. Das Projekt im September heißt Zukunftslabor Agrar und involviert einen großen Kreis an Akteuren in Niedersachsen, die sich mit der Digitalisierung in der Landwirtschaft auseinandersetzen.

Zukunftslabor Agrar
Die verschiedenen Zukunftslabore des Zentrums für digitale Innovationen (ZDIN) fokussieren sich alle auf Fragen der Digitalisierung. Dabei arbeiten sie interdisziplinär und standortübergreifend. Nach dem Motto „Vernetzt Mehrwert ernten“ geht das Zukunftslabor Agrar (ZLA) seit Oktober 2019 gesamtheitlich auf die Anforderungen ein, die sich mit der Digitalisierung in der Landwirtschaft ergeben. Dazu konzentriert sich das fünfjährige Vorhaben auf drei Teilbereiche:

Analyse der Datenaufzeichnung und Datenflüsse in der Landwirtschaft
Dieser Teilbereich greift die Problematik auf, dass Datenmanagement-Lösungen in der Landwirtschaft keine durchgängigen Standards aufweisen. Darüber hinaus sind sie untereinander oft nicht kompatibel. Daher sollen in diesem Teilprojekt Konzepte und Lösungen zur Beseitigung der Datenlücken sowie zum Aufbau einer geschützten Datentransparenz entwickelt werden. Diese werden abschließend auf Anwendungsfälle und konkrete Projektideen abgeleitet.

Praxisorientierte Autonomisierung landwirtschaftlicher Verfahren
Dieser Baustein setzt sich damit auseinander, wie sich ganzheitlich automatisierte und autonome Systeme in der landwirtschaftlichen Wertschöpfung integrieren lassen. Diese Entwicklung wird als adaptive Autonomie bezeichnet. Sie umfasst Assistenztechnologien in modernen Landmaschinen bis hin zu zukünftigen autonomen, robotischen Systemen. Für eine Übertragung in die landwirtschaftliche Praxis ist eine ganzheitliche Modellierung notwendig, die wiederum Daten aus allen Prozessen der gesamten Verfahrenskette benötigt. Das Projekt entwickelt Konzepte zur adaptiven Autonomie und veranschaulicht diese mithilfe ganzheitlicher Modellierung anhand von konkreten Anwendungsfällen im Pflanzenbau und in der Tierhaltung.

Nachhaltigkeit der Digitalisierung in der Landwirtschaft Niedersachsens
Das dritte Teilprojekt führt eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsanalyse der Digitalisierung in der Landwirtschaft in drei zeitlich aufeinander folgenden Arbeitspaketen durch. Zuerst werden die ökologischen Effekte durch eine Untersuchung der Umweltwirkungen ermittelt. Dazu werden die verschiedenen Technologien aus den Bereichen „Precision Farming“, „Fernerkundung“ und „Automatisierung und Robotik“ über den gesamten Lebenszyklus analysiert. Im zweiten Schritt werden die ökonomischen Effekte anhand von Lebenszykluskosten ermittelt. Zuletzt werden die sozialen Effekte überprüft, indem Faktoren, wie die Entwicklung des ländlichen Raums, die Akzeptanz der zunehmenden Technisierung sowie die Arbeitsbedingungen in landwirtschaftlichen Betrieben, untersucht werden. Das Teilprojekt erarbeitet und präsentiert Modelle zur umfassenden Nachhaltigkeit in der Digitalisierung der Landwirtschaft.

Über das Projekt sprach Dr. Stefanie Schläger vom Ackerbauzentrum Niedersachsen mit dem Sprecher des Zukunftslabors Agrar Prof. Dr. Joachim Hertzberg von der Universität Osnabrück:

Welche Erkenntnisse konnten Sie im Projekt gewinnen?
Schon zur Zeit der Projektbeantragung 2018 war unter den gesetzten Anwendungsdomänen der Zukunftslabore im ZDIN die Domäne Agrar (ZLA) eine derjenigen, wo Digitalisierung im Markt und in der Praxis relativ hoch entwickelt und weit verbreitet war. Als Konsequenz ging es im ZLA weniger um rein technische Fragen, den Digitalisierungsgrad kurzfristig zu verbessern, sondern um systemische Fragen (Datenflüsse, Interoperabilität entlang der Wertschöpfungskette) und um möglichst operationalisierbare Wirkungen der Digitalisierung in der Landwirtschaft (ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit, Prozessoptimierung aus Sicht der Landwirtschaftsbetriebe).

Die Arbeiten und Ergebnisse im Projekt haben uns darin bestärkt, dass eine wissenschaftliche Begleitung gerade auch dieser nicht-technischen Themen im Umfeld der Digitalisierung in der Landwirtschaft wissenschaftlich fruchtbar und praktisch höchst relevant ist. Außerhalb der genannten und im ZLA bearbeiteten Themen sind wir besonders auf die Bereiche Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie Rechtsfragen gestoßen, die aus Sicht der Wissenschaft wie der Praxis bei fortschreitender Digitalisierung deutlichen Handlungsbedarf erzeugen, um das Potenzial der Digitalisierung in der Betriebspraxis voll ausschöpfen zu können.

Was sind Ihrer Ansicht nach die größten Herausforderungen, um den Nutzen der digitalen Anwendungen in die Landwirtschaft zu bringen?
Unter den technischen Hürden, welche die umfassende Nutzung der Digitalisierung derzeit behindern, ragt der Mangel an Interoperabilität auf Daten- und Modellebene zwischen benachbarten, für sich digitalisierten Stationen und Elementen der Wertschöpfungskette heraus. Das beginnt zwischen Maschinen und Anlagen unterschiedlicher Hersteller, die auf demselben Betrieb eingesetzt werden, und setzt sich über die Partner für Zu- und Ablieferung sowie über staatliche Stellen zur Erfüllung der Dokumentationspflichten fort. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Die Höhe der Hürde und der Schaden bzw. der entgangene Nutzen, der durch sie entsteht, wird jedoch laufend höher mit der zunehmenden Ausbreitung von digitalisierten Systemen auf den Betrieben und mit dem Druck, Daten und Dokumentationen zur Verfügung zu stellen.

Die höchste nicht-technische Hürde für die weitere Verbreitung von digitalisierten Lösungen ist aus Sicht des Projekts der flächendeckende Mangel an Informationstechnik-Bildung über alle Gruppen von Beteiligten. Diese Bildung ist für die Entscheidung über und die erfolgreiche Nutzung von digitalisierten Maschinen essenziell. Sie ist bei Einzelnen zweifellos vorhanden. Systematisch besteht aber ein drastischer Mangel an Aus-, Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten, um das erforderliche Wissen in die Breite der Landwirtschaftspraxis zu bekommen.

Welche Empfehlung würden Sie geben, um die digitale Transformation sinnvoll voranzubringen?
Die beiden höchsten Hürden, technisch und nicht-technisch, wurden gerade genannt – die Empfehlung muss sein, mit langem Atem hier anzusetzen. In beiden Fällen geht es um das Bohren extrem dicker Bretter: Weder ist es einfach, unterschiedliche, teils sehr große Technikhersteller auf gemeinsame Digitalisierungs-Schnittstellen zu verabreden, noch ist es einfach, private und öffentliche Bildungsprogramme mit Lehrpersonal der erforderlichen Kompetenz auszurollen und im Gleichschritt mit dem hohen Entwicklungstempo in der Informationstechnik aktuell zu halten.

Förderung: Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur/ VolkswagenStiftung