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„Backen neu denken“ – Tagung der AG Qualitätsweizenanbau

In der AG Qualitätsweizenanbau arbeiten Landwirte, Saatgutunternehmen, Landhändler, die Mühlen und Bäckereiunternehmen eng zusammen, um Weizen mit herausragenden Backeigenschaften zu erzeugen und zu verarbeiten.

Weizenernte 2024: Durchschnittliche Erträge – Proteingehalt niedrig – Klebergehalt leicht gestiegen
Markus Gerhardy, Landwirt und Vorsitzender der AG, eröffnete die diesjährige Qualitätsweizentagung, die am 10. September 2024 in Hildesheim stattfand. Er unterstrich in seiner Begrüßung die großen Herausforderungen, die sich u.a. aus dem Regelwerk zur Düngung ergeben. Bereits im dritten Jahr sei laut Nährstoffbericht in Niedersachsen unter Bedarf gedüngt worden. Die durchschnittlichen Erträge der Ernte 2024 liegen beim Weizen unter dem langjährigen Mittel. Der Proteingehalt ist erneut niedrig, die Klebergehalte sind dagegen leicht gestiegen. Dazu erzeugen hohe Kosten, Schwankungen bei den Erträgen und Preise unter dem Niveau der Zeit vor dem Ukrainekrieg für die Landwirtschaft und die gesamte Wertschöpfungskette Probleme.

Anbaufläche gesunken 
Carsten Riekmann, Landwirtschaftskammer Niedersachsen, wies darauf hin, dass die Anbaufläche für Winterweizen in Niedersachsen im Erntejahr 2024 gegenüber dem Vorjahr um rund 25 % gesunken ist. Maßgeblicher Grund war der sehr nasse Herbst 2023, der die Aussaat erschwerte. Einen ähnlichen Rückgang gab es im Übrigen auch beim Winterroggen. Die durchschnittlichen Erträge liegen mit 74,2 dt/ ha rund 6 % unter Vorjahrsniveau. 

Langjährig bewährte und robuste Sorten überzeugten auch in 2024
Die Landessortenversuche der Landwirtschaftskammer Niedersachsen zeigen, dass sich nur wenige Weizensorten durch gleichzeitig hohe Erträge und hohe Proteingehalte auszeichnen. Bei der Sortenwahl sollten neben Ertragspotential und Proteingehalten auch agronomische Parameter berücksichtigt werden, wie insbesondere die Blattgesundheit. Insgesamt überzeugten auch im Versuchsjahr 2024 die bereits langjährig bewährten und robusten Sorten.

Caroline Benecke, ebenfalls von der LWK, wies in der Diskussion darauf hin, dass in den Düngungsversuchen die Spätdüngung nach dem Ährenschieben in kleinen Mengen von flüssigen N-Düngern die N-Effizienz steigere.

Erträge und Qualität haben gelitten
Der Leiter der Bezirksstelle Braunschweig der LWK Niedersachsen, Carsten Grupe, der Geschäftsführer der AG Qualitätsweizenanbau ist, unterstrich in seinem Beitrag, dass Erträge und Qualitäten im Winterweizen vor allem auf den guten Standorten gelitten haben. Allerdings sei das Verhältnis von Rohprotein und Feuchtkleber gut. Beides sind nicht die einzigen, aber dennoch wichtige Qualitätskriterien für die Backfähigkeit des Weizens. Auf weitere Kriterien lässt die AG Qualitätsweizenanbau Winterweizen regelmäßig gemeinsam mit acht Mühlen testen. Dies ergänzt die Arbeit der Landessortenversuche. Im Ergebnis wird deutlich, dass A-Sorten stärker in den Anbau gelangen und bei den E-Sorten mit KWS- Emerick und Exsal nur zwei Sorten uneingeschränkt empfohlen werden. Vor dem Hintergrund von zunehmenden innereuropäischen Importen von Qualitätsweizen aus Polen und Tschechien rief Carsten Grupe die Marktpartner in Niedersachsen zu verstärkter Zusammenarbeit auf.  

Getreidemärkte unter Druck
Auf die Getreidemärkte in der EU und weltweit ging Guido Seedler vom Deutschen Raiffeisenverband e.V. ein. Er beklagte den anhaltenden Flächenverbrauch in einer Gunstregion für den Qualitätsweizenanbau wie Deutschland und politische Bestrebungen zur flächendeckenden Extensivierung. Erzeugung und Verbrauch von Getreide drohen bereits seit 2017/18 in ein Defizitverhältnis zu rutschen. Endbestände sinken beständig. Rund die Hälfte der Lagerbestände liegt in China und stehen dem Markt als Ausgleich nicht zur Verfügung. Dies sei vor dem Hintergrund der wachsenden Weltbevölkerung ernst zu nehmen und im Auge zu behalten. Warum vor diesem Hintergrund die Getreidepreise so schlecht sind, könne mit instabiler Nachfrage und eher kurzfristigem Agieren der Marktpartner zu tun haben. Aber eine wirklich überzeugende Erklärung sei auch das nicht. Guido Seedler empfahl dem Ackerbau in Deutschland, sich auf die Erzeugung guter Qualitäten beim Winterweizen zu konzentrieren. Da seien die Landwirte in Deutschland eher wettbewerbsfähig, da „schlechte Qualitäten alle erzeugen könnten“.

Gefordert: Sortenreine Anlieferung von Qualitätsweizen
Michael Haag ist technischer Leiter der Saalemühle Alsleben und „Brotsommelier“. Dies weist bereits darauf hin, dass Brot und Backwaren für ihn mehr als nur ein Grundnahrungsmittel sind. Er beklagte eine unzureichende Kommunikation zwischen den „Müllern“ und den „Bäckern“. Die Backqualität von Weizenmehl muss seiner Meinung nach aus Sicht des jeweiligen Herstellungsprozesses bewertet werden. Statt sich auf das Protein als Qualitätskriterium zu konzentrieren, sollten die Endeigenschaften des Mehls definiert und darauf aufbauend Nährwertprofile optimiert werden. Ziel müssten „funktionelle“ Mehle sein, deren Eigenschaften sich auf den jeweiligen Produktionsprozess und das Endprodukt beziehen. Er wünscht sich eine sortenreine Erfassung des Qualitätsweizens. Nur dann haben die Mühlen die Möglichkeit, diese funktionellen Mehle aus verschiedenen Weizensorten zusammenzustellen. Der „Cuvee“-Gedanke beim Wein kann so auf das Mehl übertragen werden. Dies setzt aber eine sortenreine Ernte, Lagerung und Vermarktung voraus mit den damit verbundenen logistischen Schwierigkeiten.

Planungssicherheit und Verlässlichkeit sind notwendig
Markus Gerhardy unterstrich die Bereitschaft der Landwirtschaft, sich stärker „sortenorientiert“ aufzustellen, sofern Verlässlichkeit gegeben sei. Er lobte die Sortenempfehlungen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen als wichtige Entscheidungshilfen. Die größte Herausforderung seien aber nicht Anbau und Marktgeschehen, sondern die Politik, die zu wenig Planungssicherheit gibt und eine fehlerbehaftete Gesetzgebung zur Düngung verfolgt. Abschließend dankte Markus Gerhardy der Volksbank Hildesheim-Lehrte-Pattensen für die langjährige Gastfreundschaft bei der Ausrichtung der Jahrestagung der AG Qualitätsweizenanbau.

Referenten von links: C. Rieckmann, M. Gerhardy, M. Haag, G. Seedler, C. Grupe (©H. Freiherr v. Münchhausen/NAN)