Hintergrund
Insekten erfüllen in Agrarökosystemen zentrale ökologische Funktionen: Als Bestäuber zahlreicher Pflanzenarten, Zersetzer, Bestandteil von Nahrungsnetzen und als natürliche Antagonisten von Schädlingen tragen sie wesentlich zur ökologischen Resilienz und funktionalen Stabilität landwirtschaftlicher Systeme bei. Die Vielfalt an Insekten nimmt jedoch seit Jahrzehnten fortwährend ab. Die Ursachen für den Rückgang von Insekten sind vielfältig. Zu den Einflussfaktoren zählen unter anderem der Klimawandel, Umweltbelastungen sowie Veränderungen in der Landnutzung. Da Pflanzenschutzmittel in Agrarökosystemen neben der Schädlingskontrolle auch Nichtzielorganismen beeinflussen können, steht deren Einsatz immer wieder im Fokus wissenschaftlicher und politischer Diskussionen. Auch aus ackerbaulicher Sicht werde Alternativen zu chemischen Pflanzenschutzmitteln zunehmend interessant. Fehlende Wirkstoffe im Bereich Pflanzenschutz und stetig voranschreitende Resistenzbildung problematischer Beikräuter/-gräser und Schädlinge fordern ganzheitliche Konzepte für einen nachhaltigen Ackerbau.
Das Projekt
Laufzeit: April 2020 – Dezember 2025
Im Projekt FINKA (Förderung von Insekten im Ackerbau) erprobten 60 landwirtschaftliche Betriebe in Niedersachsen, wie der Verzicht auf chemisch-synthetische Insektizide und Herbizide im konventionellen Ackerbau praxistauglich umgesetzt werden kann. Das Projekt wurde vom Bundesprogramm Biologische Vielfalt gefördert. Beteiligte waren neben dem Netzwerk Ackerbau Niedersachsen e.V. die Kompetenzzentrum Ökolandbau Niedersachsen GmbH, das Landvolk Niedersachsen e.V., die Universität Göttingen und das LIB Bonn.
Umsetzung auf den FINKA-Betrieben
Über einen Zeitraum von fünf Jahren arbeiteten die beteiligten Betriebe in Betriebstandems zusammen. 30 konventionelle Betriebe bewirtschafteten jeweils eine 1–3 ha große Maßnahmenfläche herbizid- und insektizidfrei, während Fungizide, Wachstumsregler und Düngung nach konventionellen Vorgaben weiterhin zulässig blieben. Stattdessen wurde das Beikraut mechanisch reguliert – gemeinsam mit den ökologisch wirtschaftenden Partnern, die Geräte wie Striegel oder Hacke bereitstellten. Als Vergleich dienten jeweils eine betriebsübliche konventionelle Fläche sowie eine ökologische Referenzfläche. Die Bewirtschaftungsänderung wurde ökologisch und ökonomisch evaluiert.
Austausch und Zusammenarbeit
Der Austausch der Betriebe untereinander hat sich als erfolgreiches Konzept für Wissenstransfer und Dialog erwiesen. In Feldbegehungen, Workshops und in Zusammenarbeit mit der ackerbaulichen Beratung wurden fortlaufend sinnvolle Maßnahmen zur Förderung von Insekten sowie Strategien zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln diskutiert. Neben der Substitution von Herbiziden durch mechanische Beikrautregulierung standen insbesondere vorbeugende Maßnahmen wie Fruchtfolge, Sortenwahl, Aussaatzeitpunkt und das Potenzial von Nützlingen im Fokus der Gespräche.
Die Erfahrungen aus der Projektarbeit zeigen, dass die Zusammenarbeit ökologisch und konventionell wirtschaftender Betriebe unter Einbindung der ackerbaulichen Beratung offene, konstruktive Kommunikation fördert und allen Beteiligten wertvolle Erkenntnisse liefert.
Ökologische Bewertung der FINKA-Maßnahme
Mehr Vielfalt in der Ackerbegleitflora
Die Georg-August-Universität Göttingen führte jedes Jahr Kartierungen der Ackerbegleitarten auf allen 90 FINKA-Flächen durch. FINKA zeigt, dass die herbizidfreie Bewirtschaftung mit einem klaren positiven Trend für Ackerbegleitpflanzen verbunden ist. Durch die Reduktion chemischer Pflanzenschutzmittel werden unter anderem die Artenzahl und das Blütenangebot der Begleitflora gefördert.
Positive Trends bei Insektenvielfalt
Das Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels Bonn (Bohacz, C., Bänsch, S.,Ott, D., Scherber, C.) hat mittels Flugfallen, Nisthilfen und Bodenfallen die Insektenfauna auf den FINKA-Flächen untersucht. Insekten reagieren langsamer auf Bewirtschaftungsänderungen als Ackerbegleitpflanzen und die Ergebnisse streuen stärker aufgrund weiterer Einflussgrößen. Dennoch zeigte sich über die Jahre ein positiver Trend: Über verschiedene Kulturen, Standorte und Witterungsbedingungen hinweg kann der Verzicht auf Herbizide und Insektizide die Insektenvielfalt fördern.
Alle FINKA-Ergebnisse zu Ackerbegleitarten und Insekten auf finka-projekt.de
Ergebnisse zur Betriebswirtschaft
Neben den Effekten auf Insekten und Ackerbegleitpflanzen wurden im Projekt auch die ökonomischen Auswirkungen des Herbizid- und Insektizidverzichts untersucht. Dafür wurden Daten zu Erträgen und Erlösen, Direktkosten (wie Saatgut, Dünger, Pflanzenschutz) sowie zu den Arbeitserledigungskosten erfasst. Berücksichtigt wurden sowohl variable Kosten wie u.a. Reparaturen und Betriebsstoffe als auch fixe Kosten wie zum Beispiel Lohnkosten für die verschiedenen Arbeitsgänge. Die Bewertung der Arbeitserledigung basiert auf der betriebsspezifischen Technik mit individueller Maschinenleistung, Arbeitsbreite der Geräte sowie der Art und Anzahl der verschiedenen Arbeitsgänge.
Im Getreide ließ sich der Verzicht auf chemisch-synthetische Insektizide und Herbizide vergleichsweise niederschwellig umsetzen. Die Beikrautregulierung mit mechanischen Geräten wie dem Striegel ist in der Regel kostengünstiger als die betriebsübliche Herbizidstrategie. Die Erträge fielen jedoch auf den herbizid- und insektizidfreien Flächen im Schnitt um 10 % geringer aus als in der konventionellen Vergleichsvariante. In Hackkulturen ging der Herbizidverzicht mit höheren Arbeitserledigungskosten für den mehrmaligen Einsatz von mechanischen Geräten zur Beikrautregulierung einher – ganz erheblich in Zuckerrüben.
Der Verzicht auf Herbizide und Insektizide war grundsätzlich technisch realisierbar, erforderte jedoch ein erhöhtes Managementniveau, zusätzlichen Arbeitsaufwand und spezifische Erfahrung im Umgang mit mechanischen Verfahren. Die ökonomischen Nachteile können ohne Förderungen oder marktseitige Anreize nicht ausgeglichen werden.
Alle FINKA-Ergebnisse zur Ökonomie auf finka-projekt.de
Voraussetzungen für eine breite Umsetzung
Herausforderungen bestehen unter anderem in der Organisation der Betriebsabläufe bei einem zeitintensiveren Management, in den zusätzlichen fachlichen Anforderungen beim Einsatz mechanischer Technik sowie in ökonomischen Risiken durch mögliche Ertrags- und Qualitätsunterschiede. Damit die im Projekt FINKA erprobten Ansätze über die Projektbetriebe hinaus flächendeckend umgesetzt werden können, müssen verschiedene strukturelle, fachliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen weiterentwickelt werden. Dazu zählen unter anderem geeignete Förderinstrumente, eine breit aufgestellte und gut vernetzte Beratung, kontinuierliche Austauschformate für den kollegialen Wissenstransfer zwischen Landwirtinnen und Landwirten sowie die strukturelle Verankerung entsprechender Inhalte in Aus- und Weiterbildungsangeboten.
Fazit
Um die Biodiversität auf ackerbaulich genutzten Flächen zu erhöhen, ist es notwendig, auf verschiedenen Ebenen Veränderungen herbeizuführen. Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz müssen für den Einsatz in der Praxis wirtschaftlich attraktiv und möglichst niederschwellig umsetzbar gemacht werden. FINKA zeigt: Mit geeigneter Technik, gezielter Beratung, öko-konventionellen Kooperationen sowie passender Förderung gewinnen konventionell wirtschaftende Betriebe den Zugang zu Alternativen und können so einen Beitrag zur Biodiversitätsförderung im Ackerbau leisten. Allerdings muss sich das wirtschaftlich rechnen. Auf politischer Ebene müssen praxistaugliche, flexible Rahmenbedingungen geschaffen werden und auch die abnehmende Hand muss Konzepte entwickeln, wie sie einen Teil der Mehraufwendungen, die die Betriebe haben, entlohnen können. Werden Möglichkeiten gefunden, Biodiversitätsleistungen über die Förderung hinaus in Wert zu setzen, kann dies eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten sein.
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Förderer
Das Projekt FINKA wurde gefördert durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit sowie dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz mit Mitteln des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz.