Rund um den Ackerbau gibt es viele innovative Ideen. In Niedersachsen finden hierzu zahlreiche spannende Forschungsaktivitäten statt. Wir wollen sie sichtbarer machen und dabei helfen, Erkenntnisse zu verbreiten. Deshalb stellen wir jeden Monat ein Projekt vor und beginnen diese Serie mit Projekten der NAN-Mitglieder. Das Projekt im August heißt Cognitive Weeding und wird von der Hochschule Osnabrück gemeinsam mit Partnern umgesetzt.
Cognitive Weeding – Selektives Unkraut- und Beikrautmanagement mit Hilfe Künstlicher Intelligenz
Das Projekt will die Sichtweise auf die Ackerbegleitflora im Kontext der bisherigen Unkrautregulierung ändern. Ziel ist es, wirtschaftlich unkritische Beikräuter zu tolerieren. Auf diese Weise kann die Biodiversität auf dem Acker gefördert werden. Des Weiteren bietet das Konzept die Möglichkeit, regulierte Flächenanteile zu reduzieren und Herbizide einzusparen.
Dazu wird in dem Forschungsvorhaben ein Entscheidungssystem entwickelt, das in den jeweiligen Kulturpflanzenarten die Begleitpflanzen bewertet. Sie werden entsprechend als regulierungswürdig oder tolerierbar eingeordnet. Für eine Beurteilung der Konkurrenzwirkung werden neben der Pflanzenart weitere Indikatoren, wie Individuenzahl und Entfernung des Beikrauts zur Kulturpflanze, berücksichtigt. Indikatoren hinsichtlich ihrer ökologischen Bedeutung sind beispielsweise die Attraktivität für Insekten und ihre Seltenheit.
Die Erfassung der Ackerbegleitflora erfolgt u.a. mittels drohnen- und bodengestützte Sensortechnologien sowie einer nachfolgenden, automatisierten Pflanzenbestimmung. Weiterhin werden Daten zu Witterungs- und Standortbedingungen mit einbezogen.
Auf diesen Grundlagen werden Applikationskarten erstellt. Im Feld erfolgt dann die technische Umsetzung chemisch über Spot Spraying sowie mechanisch über eine einzelschargesteuerte Sensorhacke. Das Entscheidungssystem wird in dem Projekt beispielhaft für ausgewählte Ackerkulturen (Mais, Zuckerrüben) und deren häufigste Ackerbegleitflora entwickelt und in Feldversuchen erprobt.
Über das Projekt sprach Dr. Stefanie Schläger vom Ackerbauzentrum Niedersachsen mit dem Projektmitarbeiter David Ruben Hagemann von der Hochschule Osnabrück:
Die Projektlaufzeit nähert sich dem Ende. Wo stehen Sie jetzt?
Die anvisierte Entwicklung eines Bewertungssystems zur Klassifikation der Regulierungswürdigkeit von Nichtkulturpflanzen konnte im letzten Versuchsjahr als Gesamtsystem in den Feldversuchen eingesetzt und analysiert werden. Das Ziel ist die Begleitpflanzen bedarfsgerecht chemisch bzw. mechanisch zu regulieren. Die Arbeitsschritte sind inzwischen soweit aufeinander abgestimmt, dass innerhalb von 2-3 Tagen die Applikation erfolgen kann. Das beinhaltet auch die sensorische Erfassung der Begleitflora zu Beginn. Die pflanzenbauliche Evaluation ist in dieser Vegetationsperiode noch nicht abgeschlossen. Die Feldbonituren sowie die Ertragserfassung als Erfolgsparameter stehen noch aus.
Welche Erkenntnisse konnten Sie aus den Feldversuchen ziehen?
Die Prozessabläufe sowie die Technik funktionieren, befinden sich aber noch im frühen Prototypenstadium. Erst die abschließende Ertragsbonitur im Feld zeigt endgültig, ob alle vorherigen Prozessschritte wie gewünscht funktioniert haben. Gerade die pflanzenbauliche Bewertung benötigt aufgrund der Abhängigkeit von Witterung und Anbaudauer viel Zeit. Jedes Jahr und jeder Standort unterscheiden sich voneinander, sodass generalisierte Aussagen kaum zu treffen sind. Deutlich wurde im Verlauf der Untersuchungen, dass sich das theoretisch geplante Konzept technisch umsetzen lässt. Je nach Umweltbedingungen können auch pflanzenbauliche und umweltbezogene Vorteile, wie z.B. Reduktion der behandelten Flächen sowie verminderter Stress der Kulturpflanzen aufgrund des geringeren Herbizideinsatzes erzielt werden. Bis zur Praxisreife besteht jedoch noch Optimierungsbedarf.
Weshalb ist das Projekt gerade heute so wichtig?
Sowohl gesellschaftlich als auch politisch (GAP2030) wird der Druck auf die Landwirtschaft erhöht, den Pflanzenschutzmitteleinsatz zu reduzieren. Die Duldung von Begleitpflanzen mit geringer Ertragswirksamkeit kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Das Projekt bringt verschiedene wissenschaftliche und technologische Partner zusammen um aus allen Bereichen den aktuellsten Forschungsstand in einem neuartigen Konzept in der nachhaltigen Unkrautregulierung zu vereinen. Aktuelle und kommende Herausforderungen in der Landwirtschaft können unter anderem durch solche Netzwerke bewältigt werden.
Projektleitung
Weitere Projektpartner:
Förderung: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz
Projektlaufzeit: 01.09.2021 - 31.12.2024
Bildnachweis: Niemeyer, M., Renz, M., Pukrop, M. et al. Cognitive Weeding: An Approach to Single-Plant Specific Weed Regulation. Künstl Intell 37, 175–181 (2023)