Rückblick auf die gemeinsame Veranstaltung der Akademie Burg Warberg und des Ackerbauzentrums Niedersachsen am 26.11.2024 in Warberg
Willkommen
In seiner Begrüßung sprach René Borresch, Geschäftsführer der Akademie Burg Warberg, das Spannungsfeld zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft an, das sowohl von dem Bedürfnis verstärkter Nachhaltigkeit geprägt sei wie auch von dem Ziel der Versorgungssicherheit. Volker Hahn vom Netzwerk Ackerbau Niedersachsen (NAN) e.V. und Manfred Tannen von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen unterstrichen, wie wichtig es daher sei, auf den unterschiedlichen Ebenen Brücken zu bauen. Nur so seien Verständnis zwischen Landwirtschaft und anderen Teilen der Gesellschaft und ein produktiver Austausch zu erreichen. Volker Hahn machte in diesem Zusammenhang auf die wertvolle Rolle des vom NAN getragenen Ackerbauzentrums Niedersachsen als Brückenbauer aufmerksam. Ziel ist es u.a., Wissen aus der Agrarforschung zu bündeln und in gesellschaftliche Gruppen hineinzutragen. Das Ackerbauzentrum Niedersachsen entsteht seit 2021 auf der Burg Warberg im Landkreis Helmstedt und wird mit Mitteln des Landes Niedersachsen gefördert.
Dr. Cord Stoyke vom Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sah beim Brückenbau ebenfalls eine zentrale Funktion des Ackerbauzentrums. Er verwies auf die Symbolkraft bedeutender Brücken wie der Golden Gate in San Francisco oder der Glienicker Brücke in Berlin und bedauerte, dass zurzeit an vielen Stellen weltweit mehr Brücken eingerissen als gebaut werden. Vor dem Hintergrund des steigenden Transformationsbedarfs, dem die Landwirtschaft ausgesetzt sei, müssten verfestigte Bilder in der Gesellschaft und in der Landwirtschaft aufgerissen und gewollte sowie ungewollte Missverständnisse aufgeklärt werden, z.B. hinsichtlich der Digitalisierung und des technischen Fortschrittes in der Landtechnik ebenso wie mit Blick auf die Erfordernisse des Schutzes der Biodiversität, des Klimas und des Grundwassers. Dies müsse in einem Miteinander geschehen, bei dem Fingerspitzengefühl und gegenseitiger Respekt von großer Bedeutung sind. Positiv würdigte er die Zusammenarbeit des Ackerbauzentrums mit Initiativen wie dem PraxisLabor Digitaler Ackerbau der Landwirtschaftskammer oder dem Agrotech Valley Forum e.V.. Große Unterstützung der Landesregierung habe weiterhin der „Niedersächsische Weg“ als vorbildlicher Dialogprozess. Dessen Ziele werden konsequent weiter verfolgt und er sei „kein Parkplatz geworden“.
Brücken bauen – die Aufgaben der Politik
Pünktlich zur Tagung auf der Burg Warberg veröffentlichte die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) ihren Bericht zu „Strategischen Leitlinien und Empfehlungen zur Zukunft der Landwirtschaft“. Hubertus Paetow, Präsident der Deutschen Landwirtschaft-Gesellschaft (DLG) und Mitglied in der ZKL erläuterte die Entstehung der ZKL noch unter der von Angela Merkel geführten Bundesregierung aus CDU und SPD. Dabei verwies er auf Erfolgskriterien für den Dialog, wie u.a. eine persönliche Berufung der Mitglieder, einem fachfremden Vorsitz oder der bewussten Nicht-Einbindung (partei)politischer Vertreter. Dauerthemen wie das Spannungsfeld zwischen Welternährung und den planetaren Grenzen seien ebenso intensiv und vertrauensvoll diskutiert worden wie neue Ansätze zum Benchmarking im Bereich Nachhaltigkeit. Dabei sei die Arbeit immer von der Hoffnung auf politische Relevanz geprägt gewesen.
Susanne Gerstner vom BUND Landesverband Niedersachsen e.V. und Holger Hennies vom Landvolk Niedersachsen Landesbauernverband e.V. stellten den Niedersächsischen Weg als positives Beispiel für die Kraft des Dialogs dar. Susanne Gerstner betonte, dass ein konstruktives Auseinandersetzen mit Beteiligten unterschiedlicher Positionen ein wichtiger demokratischer Prozess sei. „Ein Dialog auf Augenhöhe erzeugt Verständnis und schafft die Grundlage für ein konstruktives Miteinander. Wichtig sei es auch, die Politik mit einzubinden. So kann man gemeinsam erfolgreich die Maßnahmen in der Fläche umsetzen“, so Gerstner. Im Niedersächsischen Weg sind sechs Partner beteiligt, die nach einem kurzen und intensiven Diskussionsprozess 15 Bausteine für den Natur-, Arten- und Gewässerschutz auf Agrarflächen entwickelt haben. Gekennzeichnet ist das Ergebnis vom Dreiklang aus Ordnungsrecht, Anreizen und Förderung sowie einer gesicherten Finanzierung. Diese Herangehensweise sei auf andere Herausforderungen übertragbar, wie z.B. auf die Überlegungen zur Renaturierung der Moore.
Dr. Holger Hennies unterstützte das Erfolgskonzept des Niedersächsischen Weges und betonte, dass die Landwirtschaft aus der Opferrolle heraus und zu einem Lösungsanbieter werden müsse. Er verwies auf die positiven Erfahrungen aus den seit Jahrzehnten laufenden Kooperationen im Trinkwasserschutz und appellierte daran, vorauszudenken: Es seien „Ziele statt Zügel“ zu definieren. Wichtige Voraussetzung sei eine wertschätzende, überzeugende und vertrauensvolle Kommunikation. Als positives Beispiel nannte er neben dem Niedersächsischen Weg auch das FINKA Projekt, in dem konventionelle und ökologisch wirtschaftende Landwirte gemeinsam an Lösungen zur Reduktion chemischer Pflanzenschutzmittel arbeiten. Doch er betonte auch, „dass wir weniger kurzfristige Projekte und stattdessen für längere Zeiträume angelegte Programme brauchen, um wirklich voranzukommen“.
Die Diskussion drehte sich abschließend vor allem darum, woher das Geld kommen sollte, um die im Konsens erarbeiteten Maßnahmen – seien sie investiver oder produktionsintegrierter Natur – zu finanzieren. Erwähnt wurden Finanzmittel aus Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ebenso wie aus der Gemeinsamen Agrarpolitik. Die Finanzierung von Bausteinen des Niedersächsischen Weges über die Wasserentnahmegebühr sollte bestehen bleiben. Es sollte geprüft werden, inwieweit auch Windparks in Niedersachsen eine Geldquelle sein könnten.
Brücken bauen – das Potenzial technischer Innovationen
Hilft der technische Fortschritt dabei, gesellschaftliche Erwartungen an die Landwirtschaft mit Blick auf den Umwelt-, Natur- und Klimaschutz zu erfüllen? In der breiten Gesellschaft sei technischer Fortschritt eher mit Ängsten verbunden. Deshalb dürfe in der Kommunikation von Technik nicht mit abschreckenden Bildern gearbeitet werden. Darauf wies der Psychologe Jens Lönnecker im Rahmen der Tagung hin und zeigte Bilder von furchteinflößenden Drohnen versus smart arbeitenden Pflückrobotern im Tomatenanbau.
Dr. Bastian Steinhoff-Knopp, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Stabsstelle Klima, Boden, Biodiversität am Johann Heinrich von Thünen-Institut, stellte zunächst Technologien vor, die Bodenfunktionen erhalten und schädliche Bodenverdichtungen vermeiden sollen.
Dazu gehört eine Entscheidungsmatrix, die die standort- und technikbezogene Verdichtungsempfindlichkeit der Böden einordnet und das mögliche Verdichtungsrisiko bei der Befahrung der Flächen für bestimmte Zeiträume wiedergibt. Dieses Planungstool ist aktuell auf der KTBL-Website für Mähdruscharbeiten zur Ermittlung von Feldarbeitstagen integriert. Zusätzlich ist die Anwendung als Beratungstool im Online Portal ISABEL des Deutschen Wetterdienstes verfügbar. Es dient der Bewertung der mechanischen Belastbarkeit von Böden in Abhängigkeit von Standortfaktoren, Bodenfeuchte und Maschinen-Kombinationen. Als eine weitere Technologie stellte Dr. Bastian Steinhoff-Knopp ein on-board-Assistenzsystem vor, das in Kombination mit einem Multi-Sensor-System eine bodenschonenden Routenplanung über eine Ackerfläche optimiert. Der Prototyp wird derzeit auf einem niedersächsischen Betrieb erprobt. Beide Anwendungen wurden im Rahmen des Verbundprojektes SOILAssist entwickelt.
In einem zweiten Vortrag stand die CO2-Reduktion und damit der Klimaschutz im Mittelpunkt. Die Umstellung von fossilen auf alternative Antriebstechnologien in der Landwirtschaft ist ein hoch komplexes Thema, bei dem es im Moment mehr Fragen als Antworten gibt.
Obwohl elektrische Antriebe den höchsten Wirkungsgrad haben, sind sie für schwere Arbeiten mit hohem Leistungsbedarf wenig praktikabel. Die Komplexität der landwirtschaftlichen Arbeitsprozesse und der unterschiedlichen Leistungsklassen erfordern verschiedene Antriebstechnologien. Das machte Dr. Hartmut Matthes vom Bundesverband Lohnunternehmen e.V. (BLU) anhand einer KTBL-Studie eindrucksvoll klar und benannte auch weitere Auswirkungen. So muss der Bauraum der Maschinen für die jeweiligen Energieträger die Befahrbarkeit von Straßen und Wegen weiterhin gewährleisten und das Gewicht darf das Ziel des Bodenschutzes nicht konterkarieren. Insgesamt wurde klar, dass die Transformation der Landtechnik zu nachhaltigen Antriebstechnologien politische Rahmenbedingungen erfordern und für die neue notwendige Produktvielfalt finanzielle Unterstützung.
Brücken bauen – die Bedeutung der Kommunikation
Mit den Worten „Nicht genutzte Chancen im Bereich Kommunikation sind verbranntes Geld“ eröffnete der Psychologe Jens Lönnecker vom rheingold salon den Tagungsteil zur Kommunikation. Er stellte das „Zukunftsbauer“-Konzept vor und verdeutlichte, wie oft Landwirtschaft und Gesellschaft aneinander vorbeireden. Auf diese Weise entwickeln beide Seiten Projektionen voneinander, die selten der Realität entsprechen. Häufig wird sich der „Schwarze Peter“ zugeschoben, was das Bild des Landwirts oftmals negativ prägt.
Gleichzeitig wachsen die Erwartungen der Gesellschaft an landwirtschaftliche Betriebe insbesondere mit Blick auf Nachhaltigkeit oder Tierwohl. Doch eine Umfrage aus der „Zukunftsbauer“-Studie zeigt, dass 75 Prozent der Bevölkerung nicht bereit sind, mehr als 10 Prozent zusätzlich für nachhaltig produzierte Lebensmittel auszugeben
Gerald Dohme vom Deutschen Bauernverband e.V. ging auf die Herausforderungen der Kommunikation innerhalb des Berufsstandes ein. Selbstkritisch forderte er eine noch bessere Zusammenarbeit der Bauernverbände auf Kreis-, Landes- und Bundesebene. Er zog eine Bilanz der Bauernproteste und zeigte sich überzeugt, dass diese die Wahrnehmung der Landwirtschaft in der Gesellschaft positiv beeinflusst haben. Besonders im Bereich der Tierhaltung sei es herausfordernd, die notwendigen positiven Bilder zu erzeugen. Der „Zukunftsbauer“ sei daher ein gutes Konzept, doch für den Transfer in die Gesellschaft sei noch viel Kommunikationsarbeit notwendig.
Das abschließende Podiumsgespräch wurde vom Kommunikationsexperten Dirk Gieschen, GMC Marketing GmbH, geleitet. Vier landwirtschaftliche Praktiker, darunter die AgrarScouts Christopher Michel und Nina Schmücking sowie Marieke Marthe Meyer zu Erbe und Markus Gerhardy, berichteten über ihre Erfahrungen mit der Kommunikation ihrer Arbeit im Netz und im direkten Kontakt mit Verbrauchern. Alle Teilnehmer waren sich einig: Die besten Brücken werden durch authentische Kommunikation, Diskussionen auf Augenhöhe und das transparente Erklären des eigenen Handelns gebaut.
Schlusswort
Hilmar Freiherr von Münchhausen, Leiter des Ackerbauzentrums Niedersachsen und Geschäftsführer des NAN e.V., unterstrich in seinem Schlusswort den trotz erzielter Fortschritte bestehenden Handlungsbedarf, der bei der Integration gesellschaftlicher Anliegen in die Landwirtschaft besteht. Die drei diskutierten Instrumente, der gesellschaftliche Dialog, der technische Fortschritt und die Kommunikation, seien dafür gleichermaßen von Bedeutung. Vernetztes Denken und gemeinsames Handeln können die notwendige Transformation der Landwirtschaft vorantreiben.
Abschließend wies er auf das im Januar 2025 erscheinende Buch „Brücken Bauen“ von Rainer Münch und Ludger Schulze Pals hin, das sich mit der Zukunftskommission Landwirtschaft auseinandersetzt. Er dankte den Referenten und Gästen sowie der Landwirtschaftlichen Rentenbank und dem Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz für die finanzielle Unterstützung.
Freigegebene Präsentationen der Referenten:
- Die „Zukunftskommission Landwirtschaft“ – Vorgehensweise, Ergebnisse, Ausblick Hubertus Paetow, Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft e.V. (DLG)
- Der „Niedersächsische Weg“ – Modell zur Integration gesellschaftlicher Anliegen in die Landwirtschaft? – Statement vom BUND Niedersachsen, Susanne Gerstner
- Der „Niedersächsische Weg“ – Modell zur Integration gesellschaftlicher Anliegen in die Landwirtschaft? – • Statement vom Landvolk Niedersachsen, Dr. Holger Hennies
- Alternative Antriebstechnologien und ihre Bedeutung für die Praxis Was motiviert und was hemmt den Einsatz von alternativen Antriebstechnologien? Dr. Hartmut Matthes, Bundesverband Lohnunternehmen e.V. (BLU)
- Technischer Fortschritt für den Bodenschutz – Verdichtung vermeiden,Bodenfunktionen erhalten Dr. Bastian Steinhoff-Knopp, Stabsstelle Klima, Boden, Biodiversität, Johann Heinrich von Thünen-Institut
- „Zukunftsbauer“ – Über die Analyse und Gestaltung des öffentlichen Vertrauens Jens Lönneker, rheingold salon
- Zwischen Agrarprotest und Tag des offenen Hofes – die Herausforderungen in der Kommunikation des Berufstandes Gerald Dohme, Deutscher Bauernverband e.V.