Zum Inhalt springen
Startseite » Aktuelles » Tagung „Landwirtschaft 2030 – Die Strategien der Agrarpolitik und die Zukunft des Ackerbaus“ – Rückblick

Tagung „Landwirtschaft 2030 – Die Strategien der Agrarpolitik und die Zukunft des Ackerbaus“ – Rückblick

Agrarpolitik, Klimawandel und der Ukrainekrieg

„Das Ackerbauzentrum will sich als Ort und Institution des Dialogs positionieren“, betonte Hilmar Freiherr von Münchhausen, Leiter des Ackerbauzentrums Niedersachsen bei der Eröffnung der Tagung „Landwirtschaft 2030“. Träger des Ackerbauzentrums ist das Netzwerk Ackerbau Niedersachsen e.V. (NAN). Finanziert wird es maßgeblich durch Mittel des Niedersächsischen Ministeriums für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz. 

Durch Kommunikation, Vernetzung von Projekten, Institutionen und Akteuren sowie dem Transfer von neuesten Forschungsergebnissen und Erkenntnissen soll das Ackerbauzentrum dazu beitragen, dass die Ackerbaubetriebe Niedersachsens die Herausforderungen der Zukunft meistern. Das Ackerbauzentrum ist seit Sommer 2021 als ein weiteres Kompetenzzentrum der Landwirtschaft Niedersachsens am Start.

Wie wichtig ein derartiger Ort des Dialogs ist, unterstrichen die Vorträge zur Europäischen Agrarpolitik (GAP) und zu den Auswirkungen der Klimapolitik auf den Ackerbau: Es bleibt nichts, wie es ist; die Dynamik der Veränderungen ist hoch und die Herausforderungen für den Ackerbau sind enorm. Zusätzlich zur verabschiedeten Reform der GAP und zu den Anstrengungen der Landwirtschaft, sich an Klimaänderungen anzupassen und eigene Treibhausgasemissionen zu verringern, hat der furchtbare Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt, Konsequenzen. Wie auch in Energiewirtschaft und -politik heißt es für Landwirtschaft und Agrarpolitik, sich neu zu justieren.

Wenige Tage vor Kriegsbeginn hatte die Bundesregierung ihren Strategieplan zur Umsetzung der GAP-Reform nach Brüssel gesendet. Noch wird er geprüft und die Vertreterin der EU-Kommission, Dr. Antonia Lütteken, ließ sich nichts zu der möglichen Bewertung entlocken. Die Analyse der bereits länger vorliegenden Strategiepläne anderer Mitgliedsländer macht jedoch bereits klar: Bei der Konditionalität müssen einige Länder nachbessern ebenso wie beim Zusammenspiel von Konditionalität, freiwilligen Ökoregelungen und den Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen.

In der Klimapolitik hat die Landwirtschaft drei Rollen: Sie ist Verursacher von Treibhausgasen, sie ist Leidtragender klimatischer Veränderungen und sie kann Teil der Lösung sein. Bernhard Osterburg vom Thünen-Institut in Braunschweig unterstrich die beiden maßgeblichen Ansatzpunkte für den Ackerbau: Die Treibhausgasemissionen aus der Stickstoffdüngung und aus der ackerbaulichen Nutzung von Moorböden. In seinem Fazit wurde deutlich, dass zwar eine vollständige Emissionsvermeidung in der Landwirtschaft unmöglich, aber deutliche Reduktionen um bis zu 50 Prozent notwendig seien.

Niedersächsischer Weg und Ackerbaustrategie

Mit dem Niedersächsischen Weg wurden 2020 zwischen der Landesregierung und den Akteuren der Landwirtschaft sowie den Umweltverbänden Maßnahmen zum Umwelt- und Naturschutz vereinbart. Dialog statt Konfrontation, Lösung statt Anklage kennzeichneten diesen Prozess, an dessen Ende zunächst die gesetzlichen Regelungen zum Wasserschutz, zum Wald und zum Naturschutz in Niedersachsen angepasst wurden. Mit der Niedersächsischen Ackerbau- und Grünlandstrategie sollen in einem weiteren Schritt die notwendigen Veränderungsprozesse auf den landwirtschaftlichen Betrieben vorangebracht werden. Die Strategie wurde in einem mehrmonatigen Prozess von Vertretern des Ministeriums mit Akteuren aus Landwirtschaft und Naturschutz sowie Experten erarbeitet. 

Der Staatssekretär im Niedersächsischen Landwirtschaftsministerium, Professor Ludwig Theuvsen, verwies auf erste Umsetzungsschritte wie die sich im Aufbau befindliche Biodiversitätsberatung außerhalb von Schutzgebieten, die die Landwirtschaftskammer Niedersachsen vorantreiben wird. Auch der Aufbau des Ackerbauzentrums sei eine der verabredeten Maßnahmen gewesen. Mit Blick auf die GAP seien für die Zeit ab 2023 Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen entwickelt worden, die auch die Umsetzung der Ackerbaustrategie unterstützen sollen. 

Prioritär habe man sich darüber hinaus der Themen Gewässerrandstreifen, Förderung des Eiweißpflanzenanbaus und der Reduktion chemischer Pflanzenschutzmittel angenommen. Weitere Ziele seien vor dem Hintergrund ihrer Komplexität eher langfristig zu erreichen, wie der Ausbau des Ökologischen Landbaus, die Züchtung neuer Pflanzensorten, Fragen der Digitalisierung und effizienterer Beregnungsmethoden.

Mit Blick auf die Beregnung verwies der Präsident des Landvolks Niedersachsen, Dr. Holger Hennies, auf Versuchsergebnisse der Landwirtschafts-kammer, die zeigen, dass durch den Ausbau der Beregnung große Produktionssteigerungen möglich sind. Der Vizepräsident des BUND Niedersachsen, Professor Michael Rode, hinterfragte jedoch, woher das Wasser denn kommen solle und forderte, Niederschläge u.a. durch Humusaufbau auf Ackerflächen länger in der Landschaft zu halten und Kulturpflanzen mit geringerem Wasserbedarf zu wählen.

In ihren Statements bekannten sich die Akteure der Landwirtschaft und des Naturschutzes sowie Interessensvertreter aus dem Bereich nachwachsender Rohstoffe und auch das Netzwerk Ackerbau Niedersachsen e.V. zum Niedersächsischen Weg und zur Ackerbaustrategie. Viele Daten zeigen, dass die Landwirtschaft wichtige Problemfelder bereits angepackt und wesentliche Verbesserungen erreicht hat. Gleichwohl gibt es noch Handlungsbedarf im Umwelt-, Natur- und Artenschutz, der sich aber oft nicht auf die Landwirtschaft in Gänze, sondern auf bestimmte Regionen bezieht. Als völlig untaugliches Instrument bewertete die Geschäftsführerin des Kompetenzzentrums Ökolandbau Niedersachsen, Carolin Grieshop, die Verpflichtung der neuen GAP, nach der auch Ökobetriebe in der kommenden Förderperiode 4 % ihrer Ackerfläche für den Naturschutz zur Verfügung stellen müssen. Ackerflächen im Ökolandbau seien bereits artenreich. Die geforderte Selbstbegrünung begünstige Stickstoffauswaschungen und fördere die Verbreitung von Unkräutern, die im Ökolandbau mit aufwendigen mechanischen Verfahren wieder zurückgedrängt werden müssen. Handlungsbedarf sieht Dr. Marie-Luise Rottmann-Meyer auch bei der weiteren Förderung nachwachsender Rohstoffe. Die Geschäftsführerin des 3N Kompetenzzentrums Niedersachsen betonte, dass die Potentiale nachwachsender Rohstoffe groß seien und kritisierte, dass es an Initiativen im Bereich der Verarbeitung und Vermarktung fehle.

"Rote Betriebe" statt "Rote Gebiete"?

Unterstützung für den Niedersächsischen Weg und die Ackerbaustrategie signalisierten ebenfalls alle vier zur Podiumsdiskussion eingeladenen Agrarpolitiker aus dem Niedersächsischen Landtag. Gleichzeitig wurde betont, dass die Ackerbaustrategie im Sinne eines „living documents“ immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden müsse, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Konsequenzen aus dem Ukrainekrieg.

In der vom stellvertretenden Direktor der Landwirtschaftskammer, Stefan Ortmann, moderierten Runde wurden jedoch auch Unterschiede deutlich. Beim Thema Düngung zeigten sich Verärgerung und Verunsicherung mit Blick auf die Ausweisung der Roten Gebiete mit zu hoher Nitratbelastung im Grundwasser. Fragen zu den Messstellen und deren Verteilung, zur Berücksichtigung unterschiedlicher Bodenverhältnisse und zum Zeitverzug zwischen heutiger Bewirtschaftung und dem Nachweis von Nitrat im Grundwasser sind noch immer unzureichend geklärt. Gleichzeitig drohen Deutschland hohe Strafzahlungen wegen mangelhafter Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie. Insbesondere der Vorsitzende im Agrarausschuss, der FDP-Politiker Hermann Grupe, drückte seine Verärgerung über das Verfahren aus und verwies gleichzeitig auf den jüngsten Nährstoffbericht der Landwirtschaftskammer, die der Landwirtschaft deutliche Fortschritte bei der Stickstoffdüngung bescheinigte. „Effizienz“ sei das Schlüsselwort, die insbesondere über einen Ausbau der Präzisionslandwirtschaft zu erreichen sei. Miriam Staudte, agrarpolitische Sprecherin von Bündnis90/ Die Grünen forderte, sich verstärkt auf die „Roten Betriebe“ zu konzentrieren und deren Umgang mit der Stickstoffdüngung zu verbessern. Ähnlich argumentierte auch der agrarpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Helmut Dammann-Tamke. Karl-Heinz Hausmann, für die SPD im Agrarausschuss des Landtags, betonte die Bedeutung auskömmlicher Einkommen für die landwirtschaftlichen Betriebe und forderte, dass von höheren Lebensmittelpreisen beim Landwirt auch etwas ankommen müsse. Alle vier Abgeordneten unterstrichen die Bedeutung vielfältiger Agrarstrukturen für den Erhalt der Biodiversität. Miriam Staudte wünschte sich mehr Tempo beim angestrebten Biotopverbund und Helmut Dammann-Tamke wies darauf hin, dass der Naturschutz auch Einkommenswirkung entfalten müsse. Es sei eine unternehmerische Entscheidung, ob ein landwirtschaftlicher Betrieb gesellschaftlich nachgefragte Leistungen im Naturschutz erbringt. Damit verwies er noch einmal auf einen Grundpfeiler des Niedersächsischen Weges: Anreize statt Ordnungsrecht.


Die Ackerbaustrategie und ihr Handlungsbedarf

 Die Vertreter vom Netzwerk Ackerbau Niedersachsen e.V. (NAN), Volker Hahn, Vorstandsvorsitzender, und sein Stellvertreter Claus-Friso Gellermann forderten mit Blick auf die Vereinbarungen des Niedersächsischen Weges Verlässlichkeit – auch über die anstehende Landtagswahl im Oktober 2022 hinaus. Viele Landwirte seien mit Blick auf die wachsenden und oft sehr vehement vorgetragenen gesellschaftlichen Ansprüche an die Landwirtschaft verunsichert und brauchen Planungssicherheit. Von Fairness und Sachlichkeit geprägte Diskussionen seien für den Erfolg der Ackerbaustrategie wesentlich, denn selbst innerhalb der Agrarbranche nehmen Praktiker, Berater, Verwaltung und Politik Informationen aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln auf. Daher sei es wichtig zu einer konsensorientierten Analyse und Bewertung der zu bewältigenden Herausforderungen zu kommen. Insbesondere dabei soll das Ackerbauzentrum mit Veranstaltungen unterschiedlicher Formate seine Wirkung entfalten.

Mit Blick auf die weitere Umsetzung der Ackerbaustrategie schlägt das NAN vor, die der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereiche stärker einzubinden und damit entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu denken und zu handeln. Der Austausch zwischen naturräumlich sehr ähnlichen Ackerbauregionen müsse national oder auch europaweit ausgebaut werden. Und schließlich sollte die Umsetzung der Ackerbaustrategie wissenschaftlich intensiv begleitet werden. Dazu sind mehr finanzielle Ressourcen und langfristige Kooperationen mit Forschungsinstitutionen nötig. Nur auf Grundlage einer ausreichenden Begleitforschung lassen sich Daten entwickeln, die die Grundlage einer sachlichen und wissensbasierten Kommunikation sind. Und erfolgreiche Kommunikation ist die Basis für ein zentrales politisches Ziel des Niedersächsischen Weges: Die Landwirtschaft wieder in die Mitte der Gesellschaft rücken!