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Precise Nitrogen

Teilflächenunterschiede auf Ackerflächen müssen bei der Stickstoffdüngung berücksichtigt werden, um das volle Ertragspotenzial der Pflanzenbestände auszuschöpfen und gleichzeitig Stickstoffeinträge in die Umwelt zu minimieren. Düngung kann optimiert werden, wenn möglichst viele standort- und zeitspezifische Daten kombiniert werden. Digitale Lösungen können hier eine große Unterstützung leisten. Durch neue Technologien kann umfassender, genauer und kontinuierlicher gemessen werden, durch Modellierung sind komplexe Zusammenhänge einfacher zu beschreiben. So ergänzen digitale Anwendungen mit zusätzlichen Informationen das Wissen des Praktikers und können auf diese Weise seine Entscheidungen optimieren.

Im Projekt Precise Nitrogen (Laufzeit: 28.02.2020 – 30.04.2023) wurde ein digitaler Ansatz bei der Optimierung der Stickstoffeffizienz im Winterweizen erprobt. Dazu wurde ein kosteneffizientes System an Feldsensoren genutzt, das Wetterdaten, wie Bodentemperatur und -feuchte, misst und über Funkverbindung fortlaufend weitergibt. Des Weiteren wurden Spektraldaten von Satelliten erhoben und vegetationsbegleitende Untersuchungen durchgeführt, um die Entwicklung des Pflanzenbestandes abzubilden. Ein Farm-Management-System – ein „Ökosystemmodell“, das die vorhandenen Daten miteinander kombiniert und eine Ertragsprognose erstellt –, wurde unter Praxisbedingungen geprüft.

Präzisionslandwirtschaft im Praxistest

Dazu haben vier Landwirtschaftsbetriebe, die im Einzugsgebiet der Bezirksstelle Braunschweig der Landwirtschaftskammer Niedersachsen wirtschaften, Versuchsflächen mit Winterweizen auf heterogenen Standorten mit sandigen, tonigen sowie lehmigen Böden in den Versuchsjahren 2021 und 2022 angelegt. Für den Projektverlauf wurden zunächst die Ackerflächen ausgewählt und die Bodenunterschiede in den Schlägen durch die Bildung von Teilflächen identifiziert (Abbildung 1). Dabei sollten die Teilflächenunterschiede möglichst quer zur Fahrrichtung sein, damit alle Düngevarianten auf der Teilfläche realisiert werden konnten.

Abbildung 1: Darstellung der Teilflächeneinteilung auf Basis verschiedener Datenquellen © Dennis Löwe, Forschungszentrum für landwirtschaftliche Fernerkundung am Institut für Pflanzenbau und Bodenkunde, Julius Kühn-Institut

Die Projektbetriebe führten die Stickstoffdüngung mit vier verschiedenen Varianten in Streifenversuchen (Abbildung 2) durch, wobei die erste Stickstoffgabe flächeneinheitlich und die zweite und dritte Gabe entsprechend der Düngevarianten appliziert wurde.

Düngevarianten
  • Variante 1: Uniforme Düngung = Stickstoffmenge gemäß Düngebedarfsermittlung, einheitlich auf dem Versuchstreifen ausgebracht.
  • Variante 2: Satellit = Änderung der Düngeverteilung im Streifen auf Basis des über Satellitenbilder berechneten „normalisierten differenzierten Vegetationsindexes“ (NDVI). Die Düngemenge ist entsprechend der Variante 1, aber die Variation der Verteilung im Streifen liegt zwischen +/- 20%.
  • Variante 3: Ökosystemmodell V (ÖSM V) = Änderung der Düngeverteilung im Streifen auf Basis des Farmalyzer-Modells der Firma Agvolution GmbH, Düngemenge entsprechend der Variante 1.
  • Variante 4: Ökosystemmodell VM (ÖSM VM) = Änderung der Düngeverteilung im Streifen auf Basis des Farmalyzer-Modells der Firma Agvolution GmbH, Düngemenge variiert zusätzlich auf Basis des Farmalyzer-Modells.
Abbildung 2: Beispiel von 2 Ackerschlägen mit den verschiedenen Düngevarianten in Streifenversuchen © Eike Hunze, Abteilung Agrartechnik der Georg-August-Universität Göttingen

Erkenntnisse

Bei den Großflächenversuchen unter Praxisbedingungen wurde festgestellt, dass der Effekt der Teilflächen und somit der Bodenunterschiede auf die Stickstoffeffizienz größer war als der Effekt der Düngevarianten. Die Düngevarianten unterschieden sich zu wenig in der Stickstoffmenge. Zudem war nicht das Stickstoffangebot der begrenzende Faktor, sondern die aufkommende Trockenheit im Frühsommer beider Versuchsjahre.

Mit Blick auf die Technologien zeigte sich, dass die Datenübertragung der Feldsensoren in einem lokalen Netzwerk im Jahr 2021 unzureichend war. Im Jahr 2022 war die Übertragung zuverlässiger, weil ein Mobilfunknetz genutzt wurde. Die Datenqualität der Sensorik wurde innerhalb einer Teilfläche durch den Vergleich von benachbarten Sensoren überprüft. Bei den Messzusammenhängen zeigten die Luft- sowie die Bodentemperatur sehr gute Werte. Bei der Luftfeuchtigkeit wurden auch noch gute Werte gemessen. Bei der Bodenfeuchte ergab sich ein differenziertes Bild: es gab Anteile mit sowohl sehr guten als auch sehr schlechten Zusammenhängen. Die grundlegende Erkenntnis ist, dass die Sensorik Erfahrungen der Landwirte messbar macht und damit für die Verwendung in Modellen geeignet ist. Die Abschätzung der Stickstoffnachlieferung durch das Ökosystemmodell war in den beiden Versuchsjahren mäßig, denn die Berücksichtigung von Wetterextremen war schwierig. Zudem lässt eine zu geringe Höhe der Stickstoff-Auf- und Abschläge kaum eine differenzierte Betrachtung zu.

Damit spiegeln die erzielten Ergebnisse das Potential dieser Technologie wider. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass weitere Forschung notwendig ist, um die Ergebnisse des Projektes zu validieren, zu ergänzen und die vorhandenen Technologien weiterzuentwickeln. In den dreijährigen Laufzeiten der EIP-Agri-Projekte lassen sich zwar Innovationen in Großflächenversuchen, die auf die einjährigen Vegetationszyklen im Ackerbau angewiesen sind, testen, aber für die Validierung – also die Prüfung auf Anwendbarkeit unter praktischen Verhältnissen – ist der Zeitraum zu kurz.

Ein Erfolg des Projekts war die Vernetzung zwischen Wissenschaft und Praxis als eine wesentliche Voraussetzung, um die vorgestellten Technologien in der landwirtschaftlichen Praxis testen zu können. Das Engagement der teilnehmenden landwirtschaftlichen Betriebe an Forschungsvorhaben kann daher nicht hoch genug geschätzt und sollte zukünftig auch entsprechend honoriert werden.

Weitere Details zum Projekt finden Sie im Abschlussbericht. Wer mehr zur fernerkundungsbasierten teilflächenspezifischen Stickstoffapplikation erfahren möchte, kann sich eine Methodenübersicht herunterladen. Diese gibt einen Überblick der Messprinzipien und der marktverfügbaren Anwendungen.

Am 17. Februar 2023 fand die Abschlussveranstaltung zum Projekt auf Burg Warberg statt. Die Tagung unter den Namen „Stickstoffdüngung auf den Punkt (aus-)gebracht“ informierte nicht nur über die gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Projekt, sondern auch über weitere Forschungsansätze. Darüber hinaus wurde die praktische Umsetzung einer teilflächenspezifischen Stickstoffdüngung diskutiert. Sie können sich in unserem Rückblick über die Tagung informieren.

Weiteren Möglichkeiten, die teilflächenspezifische Stickstoffdüngung mithilfe von digitalen Technologien in Projektvorhaben zu erproben und zu evaluieren, wird nachgegangen.

Vorstellung der Projektbetriebe

Güterverwaltung Reinau in Beierstedt (Landkreis Helmstedt)

Die Güterverwaltung Reinau am Standort Beierstedt ist ein reiner Ackerbaubetrieb mit Flächen rund um den Heeseberg. Zum Betrieb gehört eine 600 kW große Biogasanlage. Die Anbauschwerpunkte sind Zuckerrüben, Winterweizen, Energiemais, Raps, Gerste und Dinkel. Seit dem 01.07.2022 wird der Betrieb ökologisch bewirtschaftet. Die Ackerflächen besitzen eine Bonität von 65 bis 100 Bodenpunkte. Der stellvertretende Betriebsleiter, Christian Renneberg, erläutert seine maßgeblichen Gründe für die Teilnahme an Precise Nitrogen: „Durch die verschärfte Düngeverordnung sind wir gezwungen den Dünger noch effizienter einzusetzen. Des Weiteren interessiert mich der technische Fortschritt bei der Erstellung von Düngekarten über Drohnen, Satellitenbilder und Sensoren.“ So wurde bereits 2016 ein Stickstoffsensor angeschafft, der aktiv den Stickstoffbedarf auf dem Feld ermittelt. Als weiteren Grund nennt Christian Renneberg die Klimaänderungen, denn eine Effizienzsteigerung in der Stickstoffdüngung kann auch zu einer Verminderung klimarelevanter Gase beitragen. Aus dem Projekt erhofft sich Christian Renneberg eine Verbesserung bei der Erstellung der Düngekarten, um kleinräumiger und präziser düngen zu können. Er sieht allerdings kaum weiteres Potenzial Dünger einzusparen. Durch die Teilflächenbewirtschaftung sieht er Möglichkeiten die Verteilung auf den Flächen zu optimieren. Auf den Ackerflächen der Güterverwaltung Reinau liefen schon vor dem Projekt Precise Nitrogen Versuche mit der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und der Landberatung. Christian Renneberg lobt die Vernetzung mit anderen Betrieben und wissenschaftlichen Institutionen.

Landwirtschaftsbetrieb Reinbeck-Grube in Velstove bei Wolfsburg

Der Landwirtschaftsbetrieb Reinbeck-Grube betreibt Ackerbau auf Flächen im Randgebiet der Stadt Wolfsburg und eine kleine Pferdezucht. Die überwiegend sandigen Böden (Bodenpunkte: 18-30) sind eher homogen. Da die Ackerflächen allerdings größtenteils unter Beregnung stehen, machen sich schon geringe Unterschiede in den Böden deutlich bemerkbar. Der Betrieb ist spezialisiert auf Braugerste und ist ansonsten in der Fruchtfolge mit Roggen, Weizen, Kartoffeln, Zuckerrüben, Mais und Raps breit aufgestellt. Der Landwirtschaftsbetrieb ist schon seit Jahren Versuchsbetrieb für die AGRAVIS Niedersachsen-Süd GmbH. Hagen Reinbeck-Grube erhofft sich durch seine Teilnahme bei dem Projekt Precise Nitrogen Hinweise, wie er seine Düngung noch effizienter gestalten kann. „Mir war es schon immer ein Anliegen, den Stickstoff bestmöglich zu verteilen und ich habe mich schon früh technisch so aufgestellt, dass ich immer strikt am Bedarf der Pflanzen orientiert gedüngt habe.“ Die Stickstoffdüngung hat für den Betrieb aktuell weiter an Bedeutung gewonnen, denn er liegt in der Gebietskulisse der sogenannten „Roten Gebiete“. Vor dem Hintergrund der Nitratbelastung im Grundwasser soll in diesen Regionen die Stickstoffdüngung reduziert werden. Landwirt Reinbeck-Grube erhofft sich durch Precise Nitrogen mehr darüber zu erfahren, wie er aussagefähige Applikationskarten erstellen kann, um selber eine frühzeitig angepasste Düngeplanung anzufertigen und nicht von externen Dienstleistern abhängig zu sein. Er ist der Meinung, dass sich auf seinem Betrieb der Stickstoffdünger nicht weiter einsparen lässt, denn die erlaubte Ausbringmenge sei laut Düngeverordnung ohnehin knapp bemessen. Bei der Teilflächenbewirtschaftung sieht er das Potenzial die Verteilung des Düngers auf der Fläche zu verbessern, um so nicht nur den Ertrag, sondern auch die Qualität der Kulturpflanzen zu erhöhen.

Rittergut Ampleben bei Kneitlingen (Landkreis Wolfenbüttel)

Das Rittergut Ampleben ist ein reiner Ackerbaubetrieb mit größtenteils heterogenen bis sehr heterogenen Böden (Bodenpunkte: 40-90). In einer 4- bis 5-gliedrigen Fruchtfolge werden Winterweizen, Zuckerrüben, Raps, Wintergerste und Ackerbohnen angebaut. Betriebsleiterin Helene Kahl beteiligt sich an Precise Nitrogen, weil sie sich für neue Technologien interessiert und mehr über ihre eigenen Böden erfahren will. Zudem schätzt sie den Austausch und den Wissenstransfer mit anderen Betrieben und der Agrarforschung. „Ich hoffe aus den Versuchen eine Tendenz ableiten zu können, ob meine heterogenen Böden durch die von Applikationskarten gesteuerte Düngung besser versorgt werden und einen homogeneren Pflanzenbestand erzielen können.“ Bisher hat sie die Düngung per Hand und nach Augenmaß an extreme Standorte angepasst. Sie ist gespannt, ob sich der zusätzliche Aufwand durch das Erstellen von Applikationskarten und die ganze vor- und nachgelagerten Datenbearbeitung am Ende auszahlt. Ihrer Meinung nach wird voraussichtlich aber kein Dünger durch die Teilflächenbewirtschaftung eingespart, sondern nur besser verteilt. Sie weist darauf hin, dass durch die Düngeverordnung die Gefahr der Unterversorgung der Kulturpflanzen groß sei. Parallel zum Projekt Precise Nitrogen beteiligt sich das Rittergut Ampleben auch als aufnehmender Betrieb von Wirtschaftsdünger an dem Verbundprojekt „Wirtschaftsdüngermanagement Niedersachsen“ der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.

Landwirtschaftsbetrieb Schrieber in Lehre (Landkreis Helmstedt)

Familie Schrieber bewirtschaftet einen Ackerbaubetrieb zwischen den Städten Wolfsburg und Braunschweig. In einer 4- bis 5-gliedrigen Fruchtfolge werden Winterweizen, Zuckerrüben, Raps, Dinkel, Braugerste und Leguminosen angebaut. Durch die Nähe zur Flechtorfer Mühle bietet sich die Vermarktung des Weizens als Backweizen an. Durch das langjährige Wirtschaften in einem Wasserschutzgebiet ist der Betrieb schon seit geraumer Zeit dabei die Effizienz der Stickstoffdüngung zu verbessern. „Ich möchte meine Böden möglichst nachhaltig bewirtschaften und nur so viel an Düngemitteln zumuten, wie sie zur Ernährung der Früchte benötigen“, erläutert Landwirt Schrieber seine Motivation bei Precise Nitrogen mitzumachen. Seine Ackerflächen sind sehr heterogen und bestehen zu einem Drittel aus Sand-, Lehm- und Tonböden (Bodenpunkte: 28-58). Schon früh hat Landwirt Schrieber sich mit den Möglichkeiten der Digitalisierung auseinandergesetzt und bereits 2003/2004 zusammen mit der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und dem Niedersächsischen Landesamt für Bodenforschung (seit 2006 Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie) eine digitale Hofbodenkarte für seinen Standort entwickelt. Diese wird stetig weiterentwickelt und ist Grundlage jeglichen Anbaus. Diese Erfahrungen bringt er auch in den DLG-Arbeitskreis Digitalisierung ein. Mit Blick auf neue Kulturpflanzen ist Landwirt Schrieber innovativ und experimentierfreudig: So startete er 2021 einen Versuch mit Quinoa, Ackerbohnen, Linsen, Mohn und Sojabohne im Streifenanbau. Aus dem Projekt Precise Nitrogen erhofft er sich eine möglichst genaue und noch effizientere Applikationsmethode bei der Stickstoffverteilung. Allerdings streut er seinen Stickstoff schon heute so präzise, dass er bei seinem Betrieb in der Gesamtdüngermenge kein wirkliches Einsparpotenzial mehr sieht.

Projektpartner

Neben den vier Projektbetrieben, waren die Landwirtschaftskammer Niedersachsen, die Abteilung Agrartechnik der Georg-August-Universität Göttingen, das Forschungszentrum für landwirtschaftliche Fernerkennung des Julius Kühn-Instituts, die LUFA Nord-West und das Netzwerk Ackerbau Niedersachsen e. V. sowie das Göttinger Startup Agvolution GmbH an dem Projekt beteiligt.

Förderer

Das Projekt wurde im Rahmen der Europäischen Innovationspartnerschaft „Produktivität und Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft“ (EIP Agri) gefördert.