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„Stickstoffdüngung auf den Punkt (aus)gebracht“

Am 17.02.2023 fand auf der Burg Warberg die Tagung „Stickstoffdüngung auf den Punkt (aus)gebracht“ statt. Sie wurde gemeinsam vom Ackerbauzentrum Niedersachsen und seinem Träger, dem Netzwerk Ackerbau Niedersachsen e. V., der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, dem Julius Kühn-Institut und der Georg-August-Universität Göttingen organisiert.

Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die teilflächenspezifische Stickstoff-(N)-Düngung auf dem Acker. Vor dem Hintergrund von Umweltauflagen, gesetzlichen Beschränkungen bei der Düngung und im Vergleich zum langjährigen Mittel rund doppelt so hohen Düngerkosten gewinnt der effiziente Einsatz von Stickstoffdünger vor allem auf Flächen mit heterogenen Eigenschaften immer weiter an Bedeutung. Auf diese ökonomische und ökologische Dimension machte Hilmar Freiherr von Münchhausen, Leiter des Ackerbauzentrums, in seiner Begrüßung aufmerksam. Henrich Meyer zu Vilsendorf, Referatsleiter für Ackerbau, Grünlandwirtschaft und Nährstoffmanagement am Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, unterstrich bei der Eröffnung der Tagung die positive Entwicklung in Niedersachsen: Der Mineraldüngereinsatz hat sich in den letzten 10 Jahren auf rund 160.000 Tonnen N deutlich reduziert, der Nährstoffanfall aus der Tierhaltung ist ebenso wie der Stickstoffdüngesaldo im Durchschnitt des Landes rückläufig. Dennoch bleiben Regionen mit hohen Stickstoffüberschüssen und die Herausforderung, in den als „Rote Gebiete“ klassifizierten Regionen die Stickstoffdüngung einzuschränken.

Ein Schwerpunkt der Tagung bildete die Präsentation und Diskussion von Projekten, die aus der Europäischen Innovationspartnerschaft „Produktivität und Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft“ (EIP Agri) gefördert werden und die Themen der teilflächenspezifischen Düngung behandeln. Damit leistete die Tagung auch einen Beitrag zur Vernetzung von Projekten, Akteuren und Erkenntnissen. Den Anfang machte das gemeinsame Projekt der Veranstalter: Precise Nitrogen, das kurz vor dem Ende steht und für das die Tagung auch die Abschlussveranstaltung war. Die Projektkoordinatorin Madlen Grobe von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen stellte das Vorhaben, bei dem vier landwirtschaftliche Betriebe ein integriertes Düngesystem auf Schlagebene erprobten, vor.

Andreas Heckmann vom Startup Unternehmen Agvolution GmbH erklärte als Technik-Partner die im Projekt eingesetzten neuartigen Technologien. Sie bestanden aus Feldsensoren und einem Ökosystemmodell unter Einbeziehung der ökonomischen Dimension. Eike Hunze von der Abteilung Agrartechnik an der Georg-August-Universität Göttingen und Dennis Löwe vom Institut für Pflanzenbau und Bodenkunde des Julius Kühn-Instituts stellten anschließend den Ablauf der Großflächenversuche, die vegetationsbegleitenden Untersuchungen und die vorläufigen Ergebnisse vor. Im Projekt konnte gezeigt werden, dass die Daten der Feldsensoren, die Parameter wie Bodenfeuchte und -temperatur erfassen, eine wichtige Ergänzung von Ertragsdaten und Informationen aus der Fernerkundung darstellen. Gleichzeitig zeigte sich jedoch, dass – wohl auch bedingt durch die ausgeprägte Trockenheit im zweiten Versuchsjahr – die standörtlichen Unterschiede auf einem Ackerschlag nicht durch die datenbasierte teilflächenspezifische Düngung kompensiert werden konnten. Die Stickstoffeffizienz, die auf jeder Teilfläche eines Schlages hätte ähnlich hoch sein müssen, variierte noch immer stark. Dies zeigt, dass der eingeschlagene Weg weiterbearbeitet werden muss. Die gesammelten Erkenntnisse werden zum Projektende im April 2023 in einem Abschlussbericht zugänglich gemacht. Abschließend teilten die teilnehmenden Landwirte Hagen Reinbeck-Grube und Jörg Schrieber ihre Erfahrungen bei der Projektbeteiligung mit.

„Deep farming“ ist ein weiteres EIP-Agri-Projekt, das sich auf eine optimalere Stickstoffverteilung auf dem Acker fokussiert. Das Anfang 2022 in Hessen gestartete Projekt erprobt neben der Nutzung von Applikationskarten auf Basis künstlicher Intelligenz auch neuartige Sensorik (Gamma-Strahlen-Sensor). Die Projektziele und Vorgehensweise wurden von Professor Joachim Aurbacher von der Justus-Liebig-Universität Gießen vorgestellt. Die Erwartungen der landwirtschaftlichen Praxis stellte der Landwirt Torsten Reim vor, der das Projekt initiiert hatte. Professor Bodo Mistele von dem Fachbereich Agrarwirtschaft der Fachhochschule Südwestfalen stellte das bereits abgeschlossenes EIP-Agri-Projekt „Praxistest und -bewertung aktueller Precision-Farming-Saat- und Düngetechnologie für den überbetrieblichen Einsatz in kleinstrukturierten Regionen“ aus Nordrhein-Westfalen vor. Zuvor gab er einen Überblick zu den digitalen Verfahren zur präzisen Stickstoffdüngung, wie den aktiven und passiven Nahsensoren sowie deren Vergleich mit Satelliten.

Aus allen Projektvorstellungen wurde deutlich, dass die Projektlaufzeit für diese Großflächenversuche in EIP-Agri-Projekten zu kurz ist. Die Akteure sind auf die einjährigen Vegetationszyklen im Ackerbau angewiesen und in dreijährigen Projektlaufzeiten lassen sich Innovationen zwar testen, aber nicht mit signifikanten Daten absichern. Darüber hinaus wurde kritisch angemerkt, dass die Initiative und der Zeitaufwand der landwirtschaftlichen Betriebe in derartigen Projekten besser honoriert werden sollten.

Im letzten Veranstaltungsblock ging es um Fragen der praktischen Umsetzung einer präzisen Stickstoffdüngung. Caroline Benecke von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen unterstrich, dass die Heterogenität von Schlägen aus vielen verschiedenen Umständen resultiert. Diese Unterschiede müssen zunächst einmal durch einen persönlichen Blick in den Bestand und Boden erfasst und erhoben werden, um das Ziel einer langfristigen Ertragsstabilität zu erreichen. Digitalen Technologien und Innovationen beim Einsatz von Düngemitteln sind mit dem Stand von heute eine wichtige Ergänzung der Teilflächenbetrachtung, nicht aber Ersatz für herkömmliche Methoden und das Wissen der Landwirte.

Jörg Schrieber, der seinen landwirtschaftlichen Betrieb im Nordosten von Braunschweig bewirtschaftet, ist in hohem Maß interessiert an digitalen Technologien und Innovationen und nimmt an einer Vielzahl von Projekten und Versuchen teil. Auch er verliert aber dabei die pflanzenbaulichen Aspekte einer optimalen Stickstoffversorgung nicht aus den Augen: beginnend bei einer dem Potenzial der Teilfläche entsprechenden Aussaat über eine ständige Bodenverbesserung bis hin zu einer angepassten Fruchtfolge. Dr. Frank Lorenz von der LUFA Nord-West, der gemeinsam mit Hilmar Freiherr von Münchhausen die Veranstaltung moderierte, fasste am Ende die wichtigsten Punkte des Veranstaltungstages noch einmal zusammen.

Das Schlusswort übernahm Markus Gerhardy. Er ist Landwirt aus dem Landkreis Göttingen, Vorsitzender im Ausschuss Pflanzenproduktion der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und stellvertretender Vorsitzender im Netzwerk Ackerbau Niedersachsen e.V. (NAN). Er zeigte sich erfreut darüber, dass endlich einmal wieder auf einer Tagung über produktionstechnische Fragen diskutiert wurde. Er betonte in seinen Ausführungen den Begriff der „Effizienz“. Verfügbare Daten, Informationen und Erfahrungen müssen mit moderner Technik so zusammengeführt werden, dass ein Kilogramm Stickstoff so viel Ertrag mit der erforderlichen Qualität wie möglich erzeugt. Um dieses Ziel zu erreichen sei der konstruktive Austausch von landwirtschaftlicher Praxis, Beratung, Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung notwendig.

Das Tagungsprogramm und die Präsentationen der Referenten:

Tagungsimpressionen

Das Projekt „Precise Nitrogen“ wird aus Mitteln des ELER-Fonds (www.eler.niedersachsen.de) gefördert.