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Der Feldhamster: Kleiner Nager, großer Druck

Einst als Schädling verfolgt, steht es heute schlecht um den Feldhamster in seinen letzten Lebensräumen Niedersachsens. Warum das so ist und was Landwirtschaft und Naturschutz gemeinsam tun müssen, um dem kleinen Nager eine Zukunft zu geben, darüber sprach Hilmar Freiherr von Münchhausen, Leiter des Ackerbauzentrums Niedersachsen mit Nina Lipecki, Feldhamsterexpertin und 1. Vorsitzende in der AG Feldhamsterschutz Niedersachsen.

Unter unseren Ackerböden wird es langsam unruhig. Die Feldhamster erwachen aus ihrem Winterschlaf. Was brauchen sie, um den Winter gut zu überstehen?
Ende April/Anfang Mai graben sich die Feldhamster eine Röhre aus ihrem unterirdischen Bau an die Erdoberfläche. Diese sogenannte „Fallröhre“ ermöglicht ihnen die schnelle Flucht vor Feinden, wenn sie nach dem langen Winter am ersten frischen Grün auf den Feldern knabbern. Für den Winter hatten sie sich bereits ab dem Spätsommer Nahrungsreserven angelegt. Für das „Hamstern“ eignen sich Getreidekörner und andere haltbare Sämereien besonders gut. Es ist wichtig, dass diese nach der Ernte noch zur Verfügung stehen und nicht alle Flächen sofort umgebrochen werden.

Wie sieht die Situation für den Feldhamster in Niedersachsen und in Deutschland aus? Woran liegt der dramatische Bestandsrückgang?
Der Feldhamster ist in seinem gesamten Verbreitungsgebiet vom Aussterben bedroht. Dies gilt auch für die Vorkommen in Niedersachsen. Zurzeit leben noch Feldhamster in Regionen mit guten Bodenbonitäten wie im Südosten von Hannover oder im Braunschweiger Land.

Doch durch die nahezu zeitgleiche Ernte großer Getreideflächen wird dem Hamster sowohl die Deckung als auch die Nahrungsgrundlage entzogen. Von einem Tag auf den anderen lebt er nicht mehr im Dickicht des Getreidefeldes, sondern schutzlos auf dem umgebrochenen Acker. Mit dieser einschneidenden Änderung seines Lebensraumes kommt er nicht gut zurecht. Außerdem verliert er jedes Jahr Gebiete durch Bauprojekte. Der Rückgang wird durch die Zerschneidung und Verinselung seiner Lebensräume beschleunigt.

Was können Landwirte tun? Und welche Erfahrungen haben Sie mit den Landwirten in Niedersachsen gesammelt?
Das Habitat des Feldhamsters liegt fast ausschließlich in der Obhut landwirtschaftlicher Betriebe. Sie tragen daher einen großen Teil der Verantwortung im Feldhamsterschutz. Aktiv können sie durch Schutzmaßnahmen, ein auf den Feldhamster abgestimmtes Pflegemanagement der Ackersäume und den Verzicht auf Rodentizide den Feldhamster schützen. Außerdem könnten landwirtschaftliche Betriebe miteinander sprechen, um zu verhindern, dass Weizenfeld an Weizenfeld liegt. Eine hamsterfreundliche Feldflur heißt Vielfalt!

Meine Erfahrung aus den vergangenen Jahren ist, dass die Landwirtinnen und Landwirte in Niedersachsen durchaus bereit sind, etwas für den Feldhamster zu tun. Es muss uns jetzt gemeinsam gelingen, dauerhaft ausreichend Mittel für die Finanzierung von Schutzmaßnahmen im gesamten Verbreitungsgebiet zu sichern.

Neben der Bestandserhaltung planen Sie auch Auswilderungen? Müssen sich Landwirte Sorgen machen, wenn sie ihre Ackerflächen für derartige Projekte zur Verfügung stellen?
Feldhamster und Landwirt haben sich in den fruchtbaren Regionen Deutschlands seit jeher den Acker geteilt. Der Feldhamster ist auf den Menschen als Bewirtschafter dieser Flächen angewiesen.

Dort, wo der Feldhamster in den letzten Jahrzehnten verschwunden ist, soll er nun wieder angesiedelt werden.

Es ist eine absolute Voraussetzung für ein gelungenes Wiederansiedlungsprojekt, dass die beteiligten landwirtschaftlichen Betriebe zustimmen und in das Vorhaben eingebunden werden. Der Aufwand und der Ausgleich für die Schutzmaßnahmen werden finanziell kompensiert. Zu diesen Maßnahmen zählen Blüh- und Leguminosenflächen, aber auch produktionsintegrierte Maßnahmen wie z. B. die eigens für den Feldhamsterschutz konzipierte „Ährenernte“. Dabei wird das Getreide mit einem Hochschnitt geerntet. Die stehenbleibenden Getreidehalme bieten dem Hamster dann weiter Deckung.

Wie können wir langfristig sicherstellen, dass sich Landwirte in den Ackerbauregionen auf Dauer für den Feldhamster und damit den Artenschutz engagieren? Was muss (agrar)politisch geschehen?
Damit nachhaltiger Feldhamsterschutz gelingt, muss dieser in die landwirtschaftlichen Produktionsabläufe integriert werden. Nur wenn Nahrungsmittelproduktion und Feldhamsterschutz Hand in Hand laufen, kann eine breite Akzeptanz dafür geschaffen werden. Außerdem sollte es für die Gebiete mit Feldhamstervorkommen zusätzliche Fördermittel geben, die eine flächendeckende Zusammenarbeit mit Absprachen zur Fruchtfolge, zur gemeinsamen Anbauplanung und zu einem guten Prädationsmanagement ermöglichen.

Die bereits geförderten Agrarumweltmaßnahmen sind als Verlustausgleich angelegt und auf Hochertragsböden fehlt oftmals die Motivation zur Durchführung. Die Maßnahmen müssen für den einzelnen Betrieb unbürokratisch umsetzbar sein und durch eine fachliche Beratung und ein Monitoring die Wirksamkeit für den Artenschutz sichern.

Und schließlich: Der Feldhamster hat das Potential vom ungeliebten Schädlich zu einer Ikone des Artenschutzes in der Agrarlandschaft zu werden. Wenn es gelingt, den Feldhamster in Niedersachsen vor dem Aussterben zu retten, haben die Landwirte einen großen Erfolg errungen und können stolz darauf sein, im Lebensraum des Feldhamsters zu wirtschaften. 

Feldhamster_Herbstkartierung_mit_Landwirt

Weitere Informationen zum Feldhamster in Niedersachsen: https://ag-feldhamsterschutz-niedersachsen.de/