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Projekt des Monats: AIPlan4EU

Rund um den Ackerbau gibt es viele innovative Ideen. In Niedersachsen finden hierzu zahlreiche spannende Forschungsaktivitäten statt. Wir wollen sie sichtbarer machen und dabei helfen, Erkenntnisse zu verbreiten. Deshalb stellen wir jeden Monat ein Projekt vor und beginnen diese Serie mit Projekten der NAN-Mitglieder. Das Projekt im März heißt AIPlan4EU und wurde vom Agrotech Valley Forum e.V. gemeinsam mit Partnern umgesetzt.

 

AIPlan4EU – Erntekampagnen mit planbasierten KI-Verfahren optimieren

Künstliche Intelligenz (KI) kann die Planung und Ausführung von Aufgaben im Rahmen von Erntekampagnen verbessern. Bei der Nutzung von planbasierten KI-Verfahren berechnen Planungsalgorithmen die Abfolge von Aktionen, um ein definiertes Ziel zu erreichen. Die Verfahren helfen dabei, Abläufe perfekt aufeinander abzustimmen sowie schnell und automatisiert optimale Entscheidungen zu treffen. Diese bieten das Potential im Erntealltag mehr Präzision sowie Verlässlichkeit sicherzustellen. In dem EU-Projekt „AIPlan4EU“ wurden diese KI-Verfahren getestet und an einem verbesserten Zugang zu den erforderlichen Technologien gearbeitet.

Das dreijährige, vor kurzem abgeschlossene Projekt arbeitete europaweit und branchenübergreifend mit verschiedenen Anwendungsfällen. Dabei wurden sogenannte generische Planungsalgorithmen verwendet. Diese können vielfältig und ohne eine spezielle Anpassung für den jeweiligen Einsatz genutzt werden. Im Ackerbau wird Potential in dem Einsatz dieser KI-Verfahren insbesondere bei der Logistik von Erntekampagnen gesehen. Eine Optimierung kann in der Erntekette zu Zeitersparnis, besserer Maschinenauslastung sowie zu weniger Kraftstoffverbrauch führen. Gemeinsam mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH (DFKI) hat das Agrotech Valley Forum e.V. an dem Anwendungsfall einer Silomaisernte gearbeitet.

Schematische Darstellung der durchgeführten Planung einer Maishäckselkampagne ©Focke/DFKI

Eine Formel für alle Aktionen und Entscheidungen

Für den Planungsalgorithmus müssen Regelwerke für jede Aktion und Entscheidung erstellt werden. Dazu gehören grundsätzliche Regeln wie beispielsweise der Vorgang, dass ein Abfahrer seinen Anhänger erst am Silo entleeren muss, bevor er weiteres Erntegut aufnehmen kann. Auch für die Optimierung der Abläufe müssen Regeln integriert werden. Zum Beispiel wird festgelegt, dass der nächstgelegene Abfahrer als Nächstes befüllt wird. Damit die Entscheidungshilfe wirklichkeitsnah operiert, wurden umfangreich Daten gesammelt. Dazu wurden in Zusammenarbeit mit einem Lohnunternehmen mehrere Maschinen (Abfahrer und Häcksler) mit Sensoren ausgestattet, um u.a. die Erntemengen und Fahrverläufe zu erfassen.

Im Rahmen des Projektes wurde das einheitliche und branchenunabhängige Programmier-Gerüst „Unified Planning“ entwickelt. Dieses ist als Open-Source-Werkzeug öffentlich zugänglich. Es kann von Software-Entwicklern genutzt werden, um es in ihre jeweilige Software einzubinden. Dazu muss die landwirtschaftliche Problemstellung formalisiert werden. Verschiedene Planungsalgorithmen können über „Unified Planning“ verwendet werden. Auf diese Weise wäre es auch möglich, bestehende Anwendungssoftware für Ernteprozesse weiter zu verbessern. Landwirte und auch Lohnunternehmer könnten diesen Ansatz zukünftig nutzen, um sich optimierte Planungsvorschläge direkt im Farm Management System (FMIS) anzeigen zu lassen.

©Helmig/Agrotech Valley Forum
©Helmig/Agrotech Valley Forum

Über das Forschungsprojekt AIPlan4EU sprach Dr. Stefanie Schläger vom Ackerbauzentrum Niedersachsen mit dem Projektbearbeiter Jonathan Schulze Buschhoff vom Agrotech Valley Forum e.V.:

Konnte die Planungssoftware schon in der Praxis bei einer Silomaisernte erprobt werden?

Als Forschungspartner haben wir uns vor allem praxisbezogenen Fragen gewidmet, wie der technischen Machbarkeit und Anwendung von planbasierten KI-Verfahren auf einen konkreten landwirtschaftlichen Anwendungsfall. Wir haben anhand der Datenerfassung einer kompletten dreitägigen Silomais-Erntekampagne zunächst die Planungsprobleme identifiziert und anschließend reale Planungsszenarien erprobt. Unser Fokus lag dabei auf dem technischen Kern der Software. Deshalb war eine umfangreiche Erprobung oder Fertigstellung der Planungssoftware nicht vorgesehen. Durch das Open-Source-Software-Framework „Unified Planning“ steht Softwareanbietern nun jedoch ein Werkzeug zur Verfügung, um die Potenziale dieser Verfahren in bestehender und neuentwickelter Software zu nutzen.

Wie schätzen Sie das Potential für die landwirtschaftliche Praxis ein? Kann sich der Betriebsleiter auch auf die Handlungsempfehlungen der Planungssoftware verlassen?

Überall, wo es um Prozesse geht, können planbasierte KI-Verfahren helfen, diese zu optimieren und konkrete Handlungsanweisungen zu erstellen. Gerade Erntekampagnen stellen durch das Zusammenspiel mehrerer Fahrzeuge einen komplexen und kostspieligen Prozess dar. Eine planbasierte KI ist in der Lage mit dieser Komplexität umzugehen und kann somit zu einem optimierten Maschineneinsatz beitragen.

In einem frühen Stadium wird eine potenzielle Planungssoftware noch nicht alle Einflussfaktoren einer Erntekampagne berücksichtigen. Die Handlungsempfehlungen können dem Betriebsleiter jedoch als optimierter Ausgangspunkt für seine Planung dienen, die er mit seinen Erfahrungswerten abgleicht und weiter verbessert. Die lokale Verkehrssituation beeinflusst die Fahrzeit der Abfahrer und wurde bisher nicht berücksichtigt. Wenn langfristig mehr Einflussgrößen einbezogen werden, wird auch die Verlässlichkeit der Handlungsempfehlung steigen. Ein kritischer Blick des Betriebsleiters bleibt jedoch auch in Zukunft notwendig.

Was begeistert Sie als Informatiker an den landwirtschaftlichen Fragestellungen?

Als Informatiker begeistert es mich, digitale Lösungen und Helfer für reale Probleme zu entwickeln. Gerade in der Landwirtschaft gibt es vielfältige Herausforderungen, die durch den Einfluss der Natur eine faszinierende Komplexität aufweisen. Diese Komplexität würde beispielsweise bei der Entwicklung einer Webseite nicht auftauchen.

Zudem bin ich in der Landwirtschaft aufgewachsen. Deshalb begleiten mich landwirtschaftliche Themen seit meiner Kindheit. Diese Verbundenheit zur Landwirtschaft verknüpfe ich mit meiner Leidenschaft für Informatik. Gleichzeitig bin ich fest davon überzeugt, dass der Einsatz digitaler Technologien ein entscheidender Baustein ist, um Herausforderungen der Branche erfolgreich zu meistern. Diese Überzeugung motiviert mich in meinem täglichen Tun, innovative Lösungen zu entwickeln und somit einen positiven Beitrag für die Landwirtschaft zu leisten.

Projektkoordination: Fondazione Bruno Kessler (Italien)
Projektpartner: insgesamt 16 Beteiligte aus 7 Ländern, unter den Beteiligten aus Deutschland sind
Förderprogramm: Horizont 2020 der Europäischen Union
Fördersumme (insgesamt): 5.416.000 Euro
Laufzeit: 01.01.2021 - 31.12.2023